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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter
Autoren: Thommie Bayer
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schwebte und schlief und döste den Rest der Zeit, und die Jahre vergingen von selbst, ohne sein Zutun, ohne seine Aufmerksamkeit, eine Ebene, eine Wüste, eine Einsiedelei, nur selten unterbrochen von One-Night-Stands mit Sängerinnen, die er mit seinem Spiel gewonnen hatte und durch den Einblick in sein tristes Dasein wieder verlor. Keine blieb, und keine kam ein zweites Mal.
    Und dann sang Meike, und stand Daniel vor ihm, Benno trank seinen letzten Schluck und flog am nächsten Tag zurück in sein eigenes Leben.
    —
    Sie versuchen, leise zu sein. Wen auch immer Meike in ihr Bett genommen hat, die anderen aus der Band sollen es offenbar nicht wissen. Am Tag waren keine Zeichen von Zärtlichkeit oder gar Verliebtheit zu sehen gewesen. Sie war allen gegenüber gleich herzlich. Diese Affäre ist heimlich. Die Geräusche sind gedämpft, so gut es geht beherrscht, aber das Haus ist alt, und jeder Span im Boden lebt, die Wand ist dünn, sodass das unterdrückte Keuchen zweier Menschen und Knarren von Holz eine klare Sprache sprechen. Benno zieht sich an und geht leise aus dem Zimmer und aus dem Haus. Er schleicht über den Flur, die beiden sollen nicht das Gefühl bekommen, sie hätten ihn geweckt oder würden ihn gar stören. Es stört ihn nicht. Es rührt ihn.
    Unten im Hof schaltet sich automatisch das Licht ein, und er sieht einen dunkelgrauen BMW mit Berliner Nummer vor dem Zaun stehen. Er inspiziert ihn nicht genauer, er weiß auch so, dass es Daniel ist, der da oben auf Meike turnt oder unter ihr beturnt wird, und jetzt ist er sich nicht mehr sicher, was er fühlt. Keine Rührung mehr, das steht fest, aber was dann? Ärger? Erleichterung?
    Er geht hinaus in die Felder, durch die helle Nacht und wechselt erst die Richtung, als er irgendwo einen Hund bellen hört und fürchtet, einem Hof zu nahe gekommen zu sein.
    Wenn Daniel Meike hat, dann ist Christine frei. Dieser Gedanke lässt Benno wach und fast lampenfiebrig werden, macht ihm Angst und Freude zugleich – eine gerade Linie führt direkt von hier, diesem modrig und staubig riechenden Feldweg, hin zu Christine, in ihre Arme, in ihr Bett, auf ein gemeinsames Leben zu, nur Daniel muss seinen Teil der Verantwortung übernehmen. Er muss Christine reinen Wein einschenken, er muss sich zu Meike bekennen.
    Als Benno zurück in sein Zimmer geht, gibt er sich keine Mühe mehr, leise zu sein. Wenn Daniel noch wach ist, dann weiß er, die Botschaft ist angekommen. Benno muss nur den Mut aufbringen, ihm zu erklären, was mit Christine und ihm geschehen ist, und Daniel den Charakter, es hinzunehmen, dann kann wachsen, was wachsen will, und bleiben, was längst geschehen ist: Benno und Christine sind ein Paar.
    Bevor er einschläft, gelingt es ihm, sich Christine so lebendig neben sich vorzustellen, dass er glaubt, in ihren Armen zu liegen, obwohl er sich nur das Federbett so um die Schultern gelegt hat, dass dessen Zipfel sich anfühlen wie ihre Hände.
    —
    Daniel sitzt schon am Frühstückstisch. Er springt auf, nimmt Benno in die Arme und küsst ihn auf beide Wangen. Kein Anzeichen von Unsicherheit oder Verlegenheit – entweder hat er in der Nacht Bennos Türe nicht gehört, oder er ist sich keiner Schuld bewusst.
    »Danke für die Martin«, sagt Benno, »die ist noch besser geworden.«
    »Ich hab sie manchmal gespielt. Immer nur gute Musik.«
    »Muss ihr gutgetan haben.«
    Meike allerdings wagt es nicht, Benno in die Augen zu sehen, als sie über die Wiese zum Tisch kommt und sich neben Daniel setzt, der ganz selbstverständlich seinen Arm um ihre Schulter legt und sie auf den Mund küsst.
    Nach einem Augenblick, in dem sie still dasitzen – niemand sonst ist bis jetzt aufgetaucht –, hebt sie den Blick und schaut Benno in die Augen. »Ist das für dich schlimm?«, fragt sie.
    »Was, dass du und Daniel zusammen seid?«
    »Ja. Wir betrügen Tante Chrissi.«
    »Das macht mir nichts.«
    Mehr Dialog zu diesem Thema ist nicht möglich, denn jetzt kommen Tom und Markus, beide mit nassen Haaren, und begrüßen Daniel mit großem Hallo. Man kennt sich also schon länger.
    —
    Ob Benno darauf gehofft hat oder ob er es nur als vage Möglichkeit vor sich sah, ob er es will oder sich davor fürchtet, weiß er nicht, aber als sie Daniel das traurigste Lied der Welt vorspielen, bietet er spontan an, eine dritte Gitarre dazu zu probieren. Er muss mit so etwas gerechnet haben, denn er holt seine Taylor aus dem Kofferraum und setzt sich dazu.
    Sie spielen nur ein paar Takte, bis
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