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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter
Autoren: Thommie Bayer
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Sekretärin nimmt, weil die Gelegenheit günstig ist. Und weil die Sekretärin den Job braucht und nichts dagegen haben kann.
    Vielleicht weinte er sogar, als er kam – er war sich nicht sicher, ob das, was er da im Spiegel sah, Schweißperlen oder Tränen waren. Es war egal, denn er hatte geschafft, was er wollte: Das Haus brannte. Und er war beschützt vom Alkohol, ihm konnte nichts passieren.
    Draußen vor der Tür zum Bad lehnte Janet am Geländer. Sie sah ihm direkt in die Augen. Er hielt nur eine Millisekunde lang ihrem Blick stand, dann ging er an ihr vorbei, nickte, noch bevor sie sagen konnte: »I don’t want to see you anymore«, holte seine Jacke und die Strat und ging an den schweigenden Gästen vorbei aus dem Haus.
    —
    Es ist, als ob die Gitarre glühen würde. Oder vibrieren. Benno weiß nicht, ob er wirklich geschlafen hat, als er die Decke von sich schlägt, T-Shirt und Hose überstreift, barfuß in die Schuhe schlüpft, den Koffer nimmt und leise aus dem Zimmer geht. Meike scheint auch noch nicht zu schlafen – er hört sie leise reden. Mit sich selbst? Nein, eher wird sie telefonieren. Er schaut auf seine Armbanduhr – es ist Viertel vor zwei.
    Die Obstwiese ist zu nah am Haus, deshalb geht er einfach weiter, einen Feldweg zwischen zwei riesigen Maisfeldern entlang, an deren Rändern vereinzelt Sonnenblumen stehen. Das Mondlicht ist hell genug, sodass er sehen kann, in welcher Richtung Häuser stehen. Noch immer sind die Grillen zu hören, und nach etwa hundert Metern schaut er sich um nach etwas, worauf er sitzen könnte, aber da ist nichts. Also kniet er sich auf den Feldweg, packt die Gitarre aus, setzt sich auf den Koffer und spielt.
    Er versucht gar nicht erst, irgendwas aus dem Repertoire von Tanner & Krantz zu spielen, das ist zu lange her, seine Finger würden nicht mehr mitmachen. Aber er lässt sie laufen und spazieren, so, wie er es immer nachts vor dem Fernseher getan hat, nur dass er diesmal zuhört, vom Klang der Gitarre nicht genug kriegen kann, sie klingt groß und reif und voll, schöner als er sie in Erinnerung hat, schöner als je.
    Als er Schritte hinter sich hört, denkt er, ich habe doch jemanden gestört, aber dann ist es Meike, die sich mit leiser Stimme ankündigt, damit er nicht erschrecken möge. »Das klingt schön«, sagt sie und setzt sich neben ihn auf den Boden.
    »Kannst du auch nicht schlafen?«
    »Nein. Ich freu mich auf morgen, aber ich bin auch nervös.«
    »Das musst du nicht sein«, sagt er und unterbricht sein Spiel, »du bist eine gute Musikerin. Es wird gute Musik rauskommen.«
    »Ich hab aber Angst, du magst die Band vielleicht nicht«, sagt sie.
    »Wir machen es so, wie du es willst. Du bist der Act, du bestimmst. Ich gebe höchstens einen Rat oder hab ’ne Idee oder spiel ein paar Töne irgendwo drauf. Keine Angst haben.«
    »Spiel doch weiter«, sagt sie, »es ist so schön.«
    Er spielt den kleinen Walzer für sie, den er kürzlich komponiert hat. Als der letzte Ton verklungen ist, sagt sie: »Ich glaube, ich versteh jetzt, warum Daniel immer so von dir schwärmt.«
    »Das tut er?«
    »Ja. Und ich ab jetzt auch.«
    »Quatsch«, sagt Benno und packt die Gitarre ein.
    —
    Die Nacht war kurz, aber Bennos innere Uhr ist unerbittlich, seit er das Café betreibt, er wacht um halb acht auf und beeilt sich mit dem Duschen, weil er Durst hat und kein Leitungswasser trinken will. Unten auf der Wiese ist er der Erste und kann Carmen beim Heraustragen des Frühstücks helfen, nachdem er in der Küche zwei Gläser eiskalten Orangensaft gekippt hat.
    Als er sich in der Küche Marmeladengläser, Brotkorb und eine Rispe Tomaten auf den linken Arm packt und mit der rechten Hand nach dem Besteck greift, schaut sie vom Kühlschrank her über die Schulter und sagt: »Dass es sicher ankommt ist wichtiger, als dass es schnell ankommt.«
    »Okay, überredet«, sagt er, lässt das Besteck liegen und benutzt die freie Hand zur Stabilisierung der Ladung.
    Später, als alles, außer Kaffee und Tee, draußen ist und sie Teller, Tassen und Gläser verteilen, sieht er, wie akkurat Carmen Messer und Gabel in die Mitte zwischen Tellerrand und Serviette legt, parallel und mit dem gleichen Abstand nach oben und unten zur längeren Serviette, und wie prächtig der Anblick des bunt gedeckten Tisches allein dadurch wird.
    »Das ist richtig schön«, sagt er, »so muss man das machen.«
    Sie lächelt. »Ich geh aber nicht ins Hotelfach.«
    »Du bist eine Ästhetin.«
    Sie lächelt
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