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Aprilwetter

Aprilwetter

Titel: Aprilwetter
Autoren: Thommie Bayer
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abzulegen. Von nebenan hört er ein Rumpeln, dann geht die Tür und es klopft an seiner. »Kann ich dich noch kurz stören?«, hört er Meikes Stimme, und er öffnet. Sie hält die Gitarre in der Hand.
    »Das soll ich dir von Daniel überreichen. Ist ein Geschenk«, sagt sie, und er glaubt in ihrer Stimme einen feinen Ton von Ängstlichkeit wahrzunehmen.
    »Na so was«, sagt er, um irgendwas zu sagen, nimmt den Gitarrenkoffer, legt ihn aufs Bett und lässt die Verschlüsse aufschnappen. »Komm doch rein.«
    Er schaltet das Licht ein und sieht seine alte Martin in dem blauen Velours des Fiberglaskoffers liegen.
    Meike lehnt am Türrahmen und sagt: »Er hat sie für dich aufgehoben. Er hat sie dir abgekauft und als Talisman behalten. Damit du wiederkommst. Er sagte, er hat ein Gelübde abgelegt, dass er die Gitarre niemals hergibt, nur an dich, falls du wieder nach Hause kommst.«
    Benno weiß nicht, was er sagen soll. Er weiß nicht einmal, was er fühlt. Nur dass es stark ist und sich nicht nur um Freude handelt. Er nimmt das Instrument und spielt ein paar Töne, dann stimmt er nach, spielt ein paar Griffe, einen Lauf, die Gitarre klingt vielleicht noch besser als damals. Sie hätte ihren Klang auch verlieren können.
    »Bist du sauer?«, fragt Meike.
    »Nein«, sagt er. Aber er weiß nicht, ob er lügt, denn jetzt ist ihm klar, was er fühlt. Daniel hat ihn beschenkt und bestohlen zugleich.
    »Es ist ein echtes Liebesgeschenk«, sagt Meike leise, »er wollte, dass du wiederkommst und dass du dann wie früher diese tolle Gitarre hast. Er hat sich nicht getraut, sie dir vorher zu bringen, weil du so komisch auf Geschenke reagiert hast. Er sagte, du wolltest nichts von ihm haben.«
    »Ich freu mich«, sagt er, »es ist nur gemischt mit …  irgendwas. Weiß nicht mal genau, womit.«
    »Als hätte er sie dir geklaut damals?«
    Benno schaut sie erstaunt an. Kann sie Gedanken lesen? »Das ist ziemlich nah dran«, sagt er und legt die Gitarre wieder zurück in ihr Veloursbett.
    »Er hat sie aber gerettet für dich. Vor dir, wenn du so willst.«
    Benno schließt den Koffer und wendet sich zu Meike, legt seine Hände an ihre Schultern und küsst sie auf die Wange. »Danke«, sagt er.
    »Ich geb den Kuss an Daniel weiter«, sagt sie und lächelt. Und geht nach draußen, schließt die Tür und überlässt ihn seiner Ambivalenz.
    Am liebsten würde er spielen. Die Gitarre wieder kennenlernen, aber das geht nicht, die anderen schlafen vielleicht schon, er kann jetzt nicht hier herumklimpern. Noch während er überlegt, ob er sie nach draußen nehmen und irgendwo am Wegrand spielen soll, an einem Bachufer oder Parkplatz, spürt er die Müdigkeit und schließt den Koffer, lehnt ihn an die Wand, zieht sich aus und lässt sich ins Bett sinken. Noch einige Augenblicke lang behält er die Silhouette, den Schatten seiner Martin im Blick, hört zwei Grillen zu, die sich draußen verständigen, dem Schwirren und Brummen eines Nachfalters, dann schläft er ein.
    —
    Dave und Stephen hatten Benno an diesem Freitag ins Kino eingeladen. Irgendwann musste er wohl das Datum seines Geburtstages verraten haben, er wusste nicht mehr wann, vielleicht hatte er auf Tour in irgendeinem Kaff mal spontan eine Runde geschmissen, sie standen am frühen Abend vor der Tür, überreichten ihm eine Flasche Zinfandel und einen kleinen Korb mit Olivenöl, Balsamico, Pasta und Gewürzen und bestanden darauf, dass er mit ihnen ins Belcourt Theatre kommen müsse, weil er den Coen-Film O Brother Where Art Thou nicht kenne. Das sei eines Musikers in Nashville unwürdig, und deshalb müsse dieser Zustand jetzt und hier und ohne weitere Umstände beendet werden.
    Er wollte eigentlich den Rasen mähen und sich dann einiger neuer Aquarelle von Janet annehmen, die gerahmt werden mussten – sie hatte von ihrer Ausstellung in Davis den Auftrag mitgebracht, ein kleines Hotel auszustatten, aber Stephen und Dave blieben hart und ließen keine Ausrede gelten, also füllte er noch schnell die Spülmaschine, deckte das für den Abend geputzte und geschnittene Gemüse für ein Curry mit Folie ab und zog mit ihnen los. Janet, die noch bei der Arbeit war, hinterließ er einen Zettel, er sei gegen neun Uhr zurück und sie solle sich nicht an Brot satt essen, das vorbereitete Curry dauere nur eine halbe Stunde.
    —
    »Wir kommen noch auf einen Schluck mit rein«, sagte Stephen, als sie kurz vor neun wieder vor der Haustür standen. Das war ungewöhnlich, Stephens Manieren waren
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