Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Apokalypse auf Cythera

Apokalypse auf Cythera

Titel: Apokalypse auf Cythera
Autoren: Hans Kneifel
Vom Netzwerk:
ich mitschwimmen.«
    Er küßte sie ein letztes Mal und ließ sich ins Wasser gleiten. Er hob die Hand und sagte:
    »Du weißt, daß ich dich nie vergessen werde.«
    Sie sah ihn starr und schweigend an. Dann betätigte sie die Starter. Die Zwillingsmaschinen heulten auf, erzeugten einen drohenden Wirbel, und Stapen brachte sich in Sicherheit. Langsam schwamm er auf den Felsen zu und sah, wie das Boot Fahrt aufnahm, sich mehr und mehr aus dem Wasser hob und dann auf die Tragflügel kam und in einem Berg Gischt und Schaum verschwand.
    Als er den Felsen erreichte, dachte er weder an Adagia noch an Amarylis. Er dachte nur noch an die nächsten Stunden. Die Stunden bis kurz nach Mitternacht.
     
    Etwa gegen neun Uhr dreißig nachts überfiel ihn die erste Schwäche. Er handelte augenblicklich.
    Zunächst drückte er auf einen Knopf und füllte dadurch zwei zusätzliche Luftkissen. Dann hakte er einige der Bleigewichte aus und schaltete den kleinen Motor ein.
    Die winzige Maschine besaß für einige Stunden Energie. Sie füllte die Luftflaschen wieder, und die Arbeitswärme speiste ein Netzwerk aus Schläuchen mit geringem Durchmesser. Stapen merkte schon nach wenigen Sekunden, wie sein Körper wärmer wurde. Er trat langsam Wasser, holte die Getränkeflasche hervor, ein verformbares Plastikkissen, und nahm einen großen Schluck. Einer der Konzentratwürfel vervollständigte das Essen. Stapen spürte die Wärme, die vom Magen ausging, und hörte das zuverlässige Brummen der Maschine. Er trieb auch jetzt noch mit der Strömung.
    »Ein Blick auf den Kompaß!«
    Die Karte der Strömungen, über der er nächtelang mit Milan Tay 98 gesessen hatte, war sehr genau. Vermutlich hatten die Vorgänge der Apokalypse die Strömungsrichtungen nicht ändern können. Von einer großen äquatorialen Strömung bog hier ein schmaler Finger ab, ging hinüber zur Küste und löste sich in eine Anzahl von Armen aus. Eine Tiefenströmung kam außerhalb der Uferzone hoch, bog in die Horizontale ab und zog sehr schnell und in einem schmalen Streifen zurück zu der Hauptströmung.
    Etwa zweihundert Kilometer vor dieser Einmündung war der Treffpunkt – er lag auf demselben Grad, auf dem Stapen abgesetzt worden war.
    Nachdem Stapen einige Sterne anvisiert und den Kompaß zu Rat gezogen hatte, wußte er, daß er sich genau an der Stelle befand, an der er erwartungsgemäß sein mußte.
    Er befestigte das Mundstück auf dem halbleeren Kissen, knöpfte das Kissen mit dem Getränk wieder an das Brustteil des Anzugs und überlegte scharf. Hatte er einen Fehler gemacht?
    »Nein!«
    Er ließ sich eine Viertelstunde lang treiben. Die Arbeitswärme des Motors durchpulste ihn. Stapen klappte die Scheibe herunter und erhöhte die Sauerstoffzufuhr geringfügig.
    »Weiter!«
    Die Küste war nicht mehr sichtbar. Ein schwarzer Himmel lag über dem einsamen Schwimmer. Die Sterne leuchteten starr und rot. Cythera Minor Nova besaß keinen Mond. Stapen ging noch einmal seine Checkliste durch und stellte fest, daß alle Teile seiner Ausrüstung funktionierten, daß kein Zwischenfall aufgetreten war.
    Er konnte beruhigt bleiben. Kein Grund für Herzklopfen, für Angst oder Furcht. Und auch die Jacht würde auf demselben Weg wieder landen und ihn an Bord hieven. Er schwamm weiter. Ruhig und konzentriert. Seine Bewegungen waren wieder locker und gelöst.
     
    Das Langzeitprogramm richtete sich also eindeutig gegen den Aggressor aus dem Weltraum, der einen Sieg errungen hatte, über den niemand Freude empfunden hatte. Die Bomben Baudelaires hatten den Planeten verwüstet und unzählige Menschenleben gekostet. Mutation und totgeborene Säuglinge waren die Folge, die Elterngeneration war weitestgehend sterilisiert, und Tierwelt und Pflanzen degenerierten, wenn sie nicht in Form leicht radioaktiver Asche durch die Atmosphäre trieben.
    Das Lang Zeitprogramm würde aber auf Baudelaire niemanden töten oder versklaven.
    Also mußte sich die Generation, die jetzt auf Baudelaire, dem ärmsten Planeten des besiedelten Kosmos, heranwuchs, auf einen merkwürdigen Überfall gefaßt machen. Einen Überfall, der nicht Zerstörung und Tod zum Ziel hatte, sondern ...
    »Sondern?« überlegte Stapen laut.
    Sondern das Gegenteil?
    Was war das Gegenteil von Tod? Leben! Das Gegenteil von Versklavung? Freiheit. Beides besaßen die Menschen Baudelaires. Aber sonst besaßen sie nicht viel mehr. Was bedeutete also das Gegenteil von Baudelaires bisherigem Zustand? Aufhebung der Ächtung? Das war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher