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Antiheld (German Edition)

Antiheld (German Edition)

Titel: Antiheld (German Edition)
Autoren: Stiff Chainey
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dem Weg. Mittags sind die Arkaden voll mit Müttern, die von ihrem schwachsinnigen Nachwuchs auf Schritt und Tritt verfolgt werden.
    Ich fühle mich wie in einem perfiden Actionfilm, der mit einer Meta-Fernbedienung schneller abgespielt wird. Leben in Fast Forward: Die langweiligen Sequenzen, in denen sich der Spannungsbogen behäbig aufbaut, werden einfach übersprungen. Keine unnötige Konversation, keine flachen Rechtfertigungen, keine lieblos zusammengezimmerte Philosophie, die den eigenen Lebensverdruss seriös untermauern soll. Nur Action. Fast scheint es, ich fliege.
    Endorphine verwandeln mein Gehirn in ein schillerndes Konzentrationslager. Vielleicht hätten sie den Juden vor der Dusche LSD-Trips unter die Zunge legen sollen. Bestimmt wären sie mit einem sardonischen Lächeln auf den Lippen im Gas verreckt. Hoffmann und Zyklon B. Darüber hätte Ernst Jünger ein Buch schreiben sollen.
    Der iPod dröhnt Musik in meinen Schädel, der wie ein riesiger Resonanzkörper auf den pumpenden Bass reagiert. Dann stolpert Nimkin neben mir und bleibt keuchend stehen. Ich renne noch ein paar Meter weiter, bis ich schließlich auch stoppe. «Du verdammter Krüppel!», sage ich und ziehe mir die Kopfhörer aus den Ohren.
    «Gib mir mal ’ne Sekunde, Andor!»
    Mit zitternden Fingern holt er das Asthmaspray aus der Tasche und inhaliert tief. Ich lehne mich an die Wand und zünde mir eine Zigarette an.
    «Dem Hurensohn hast du‘s ganz schön besorgt, Alter!»
    Das Zischen des Asthmasprays begleitet seine Worte. Nimkin atmet pfeifend aus und sieht mich mit glasigem Blick an.
    «Hab verfickten Hunger, du Behindi. Lass uns irgendwo was fressen!»
    Er unterdrückt einen Hustenanfall und nickt. «Gehen wir ins Burgerland ?»
    Ich schnalze mit der Zunge, schmeiße die Kippe auf den Boden und öffne die Eingangstür der Arcaden.
    Shopping Malls sind meine Kinderkrippe. Hier fühle ich mich zuhause. Nicht in diesem Zimmer, das nie neu eingerichtet wurde. In dem noch immer Tapeten mit bunten Mustern an den Wänden kleben. In dem noch immer Möbel aus abgerundetem Kieferholz stehen. Es ist, als hätte man mich in einer bonbonfarbenen Gummizelle vergessen.
    In der Mall finde ich alles, was ich zur Ablenkung benötige: ein paar Grünschnäbel, die sich nicht wehren, Fotzen von der Hauptschule, die in der Tiefgarage ohne Umschweife zur Sache kommen, wenn man ihnen eine halb volle Schachtel Kippen vermacht. Hier kann ich meine Leere mit Brutalkonsum vergessen machen.
    «Die Angst von dem Typen konntest du richtig sehen . So weit will ich Hillemann auch kriegen!»
    «Dass er Angst vor dir hat?»
    «Lass uns endlich was fressen und nich labern!»
    «Gute Idee», antwortet Nimkin und steckt das Asthmaspray zurück in die Jacke.
    Ich schüttle den Kopf und spucke auf den Boden.
    «Komm schon», sagt er, dann verschwinden wir in der anonymisierten Masse kauflustiger Menschen und lassen uns tief in die Eingeweide der Mall spülen. Die Luft ist vom Geruch neuer Parfüms und fettiger Speisen erfüllt. In der unteren Etage liegt das Objekt unserer Begierde: Burgerland.
    Burger haben etwas Animalisches. Menschen in Fast-Food-Restaurants fressen wie Schweine. Das gegrillte Fleisch löst etwas in ihnen aus, das jegliche Errungenschaft der Zivilisation vergessen macht. Im Angesicht von gebratenem Speck und mariniertem Rind wird gerülpst, gefurzt, geschmatzt und den Gelüsten freien Lauf gelassen. Ich liebe es. Hier sind wir ganz wir selbst.
    Kleine Kinder würgen sich gegenseitig Burger in die viel zu kleinen Münder, bis sie kotzen müssen. Liebespaare, deren tiefschwarze Augenringe von gemeinsamen Methadonprogrammen berichten, schieben sich zärtlich knusprig panierte Hähnchenkeulen zwischen die aufgesprungenen Lippen. Oma und Opa belasten ihre dritten Zähne und fühlen sich total modern . Schulklassen legen ihr Taschengeld in durchgestylte Fressorgien an.
    Ich spähe durch das Fenster und erkenne Finn, der mit einer großen Tüte Fritten an einem Tisch direkt neben dem Eingang sitzt. «Da is der kleine Spock aus deinem Kurs!», sagt Nimkin und grinst.
    Finn bemerkt uns erst, als wir bereits mitten im Laden stehen, und versucht, sich auf seinem Platz so klein wie möglich zu machen. Wir setzen uns neben ihn.
    «Na, du kleiner Wichser!», begrüße ich ihn so laut, dass sich die Leute an den benachbarten Tischen empört umsehen. Völlig unbeeindruckt erwidere ich ihr gutbürgerliches Glotzen und schiebe mir dabei lässig ein paar Fritten in den
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