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Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert

Titel: Anti Freud - die Psychoanalyse wird entzaubert
Autoren: Knaus Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Darstellung folgte – der Geschichte eines Wissenschaftlers ohne Körper oder Leidenschaften, der wie ein Mystiker der reinen Vernunft durch bloße Beobachtung die Nadel im Heuhaufen fand, als wäre das ein Kinderspiel, und alles, was man dazu brauche, sei ein ausreichendes Maß an Genialität.
    Doch wie jeder andere ist natürlich auch Freud ein Produkt dessen, was er las, des Austauschs mit anderen, der Begegnungen und von Freunden (die sich häufig im Lauf der Zeit zu Feinden entwickelten). Er studierte, arbeitete auch mit Vorgesetzten im Labor, er las viel, zitierte wenig, huldigte selten jemandem, sondern verunglimpfte ihn lieber. Er schrieb dieses, jenes und das genaue Gegenteil. Er hatte Freundinnen, heiratete eine von ihnen, hielt die inzestuöse Beziehung zu einer anderen geheim, bekam Kinder und gründete eine Familie.
    1885, einige Tage vor seinem neunundzwanzigsten Geburtstag, schrieb er an seine Braut Martha Bernays einen seltsamen Brief, in dem er seine Freude darüber kundtat, die Spuren von vierzehn Jahren Arbeit zerstört zu haben. Er hatte seine Tagebücher, Notizen, Briefe und alle Unterlagen mit wissenschaftlichen Kommentaren
verbrannt; er hatte die – noch nicht sehr zahlreichen – Manuskripte den Flammen überlassen; und nun bejubelte er, dass nichts davon übrig war.
    Mit diesem Holocaust in Miniaturform vernichtete Freud für immer die Beweise der menschlichen, sehr menschlichen, in seinen Augen wahrscheinlich allzu menschlichen Natur eines Mannes, der schon in jungen Jahren beschlossen hatte, die Welt mit seinen Erkenntnissen in ihren Grundfesten zu erschüttern. Nur womit? Das wusste er noch nicht. Doch er zweifelte nicht daran, dass er dieser Mann sein würde. Das heilige Feuer brannte in ihm und wies ihm den Weg. Während er noch darauf wartete, berühmt zu werden, schrieb er schon darüber und stellte sich freudig vor, welches Gesicht seine Biographen machen würden, wenn sie entdeckten, wie er sie an der Nase herumführte (er schrieb nicht sein, sondern seine, also ohne Zweifel daran, dass es viele sein würden, obwohl er noch völlig unbekannt war)!
    Doch vorerst hatte Sigmund Freud noch nicht viel vorzuweisen: Am 6. Mai 1856 wurde er in Freiberg als Sohn des Wollhändlers Jakob Freud und dessen Frau Amalia geboren. Beide Eltern waren Juden. Zunächst lautete sein Vorname noch Sigismund. Er wurde beschnitten und verlebte eine banale Kindheit, besuchte das Gymnasium und ließ sich Zeit beim Medizinstudium, weil er noch nicht wusste, worauf er sich spezialisieren sollte. Er forschte über die Sexualität der Aale und veröffentlichte einen Aufsatz über das Zentrale Nervensystem von Neunaugenlarven. Er leistete Wehrdienst, übersetzte einige Texte von John Stuart Mill und lernte seine Verlobte kennen. Er führte wirre Forschungen über Kokain durch und veröffentlichte seine angeblich wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Droge, die er zehn Jahre lang konsumierte. Er behandelte Patienten mit Elektrotherapie. All dies bot wahrlich nicht genug Stoff für mehrere Biographien. Freud war nun achtundzwanzig Jahre alt und wollte in kürzester Zeit zu weltweiter Bekanntheit gelangen, ohne jedoch zu wissen, wie. Abgesehen davon bestand seine größte Sorge darin, möglichst
schnell seinen Lebensunterhalt zu sichern, um seine Verlobte heiraten, in ein schickes Wiener Wohnviertel ziehen und eine Familie gründen zu können. Dieses Material also fiel dem Autodafé zum Opfer, mit dem er den zukünftigen Biographen eins auswischen wollte.
    Sein Handeln könnte sich zum Teil aus der Kokain-Episode erklären. In seiner Besessenheit, berühmt zu werden, ergriff er einfach die Gelegenheit beim Schopf und nahm sich die Droge vor. Er arbeitete schnell, experimentierte nur mit einer Versuchsperson (einem Freund) und gab vor, dessen Morphiumsucht mit Kokain heilen zu können. Er scheiterte, der Freund wurde kokainabhängig und Freud musste feststellen, dass er nicht zu den erwarteten Ergebnissen gelangt war. Er behauptete jedoch das Gegenteil, schrieb hastig seine Schlussfolgerungen auf und publizierte sie in einer Zeitschrift. Dort präsentierte er das Kokain als potentielle Lösung für alle Probleme der Menschheit. Immerhin half es ihm bei seiner eigenen Angst, steigerte seine intellektuelle und sexuelle Leistungsfähigkeit und wirkte beruhigend auf ihn. Schon hier zeigte sich seine Methode in Reinform: Ausgehend von sich selbst als Einzelfall, extrapolierte er eine Lehre mit universellem
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