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Anthropofiction

Anthropofiction

Titel: Anthropofiction
Autoren: Leon E.Stover und Harry Harrison
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Politiker. Politiker, heißt es, handeln nach vagem Vor urteil und Meinungen, Wissenschaftler aufgrund ehrli cher Fakten. Der Held in Die schwarze Wolke, der Astronom, der für den Autor und Astronomen Fred Hoyle spricht, fragt, warum es so ist, daß
    wir trotz der Veränderungen, die die Wissenschaft herbeigeführt hat – das heißt, unsere Kontrolle über unbelebte Energie –, immer noch dieselbe alte soziale Rangordnung bewahren? Politiker an der Spitze, dann das Militär, und die wirklichen Köpfe ganz unten. Zwischen diesem Aufbau und dem im alten Rom oder den ersten Zivilisationen in Mesopotamien existiert in die ser Hinsicht kein Unterschied. Wir leben in einer Gesellschaft, die einen gewaltigen Widerspruch enthält: modern in ihrer Technologie, aber archaisch in ihrer sozialen Organisation (Hoyle, 1957:107).
     
    Zu beachten ist, daß Hoyle nach Naturwissenschaftlern, nicht Sozialwissenschaftlern an der Regierung verlangt.
    In Die Gefangenen vertritt Julian Chain die Auffassung, daß, wenn es überhaupt eine wissenschaftliche Regierung geben soll, zumindest Erforscher des Menschen die Menschen regieren sollten. Aber er gestaltet seine Humanwissenschaft nach dem Muster der Naturwissenschaften. Die kulturellen Strukturen aller regierten Völker in der Galaxis sind auf in Computern gespeicherte mathematische Daten reduziert. Chains regierende Anthropologen befassen sich schließlich nicht mit Strukturanalyse, sondern mit Messung.
    Hier fehlt die Erkenntnis, daß Objektivität, in einer Humanwissenschaft wie der Anthropologie, der Satire verwandter ist als der Physik oder Mathematik. Anthropologen haben einiges mit den Politikern gemeinsam, die die Science-Fiction-Autoren verachten: wie Satiriker beobachten beide die menschlichen Begebenheiten, während sie daran teilnehmen. Der Anthropologe ist Teilnehmer und Beobachter, »Beides im und aus dem Spiel«, um ein Zitat von Walt Whitman zu stehlen.
    Nicht anzuerkennen, daß der Anthropologe in Wechselwirkung mit anderen, gleich ihm Werte bildenden Personen arbeiten muß, ist ein grundlegendes Versehen. Chains Erhebung der Anthropologie in den rigorosen Status einer Computerwissenschaft verrät einen unangebrachten Glauben an rationales Verfahren, um einen sauberen Ort aus der Welt zu machen, in der ihrem Wesen nach nicht rationale menschliche Wesen leben.
    Da die strukturellen Ziele der Gesellschaft nicht so wie ihre technischen Mittel rationalisiert werden können, ist Verzweiflung darüber, daß die Modernität der letzteren schneller vorwärtskommen kann als der Ar chaismus der ersteren, gleichbedeutend mit dem Glauben, beide seien Gegenstand eines umfassenden Systems der Zielorientierung. Totalitäre Regierungen handeln aufgrund dieses Glaubens. Amerikanische Sozialingenieure würden es gern tun. Aber Michel Crozier, der französische Soziologe, warnt sie vor »der Arroganz der Rationalität«. Wie die Förderung des materiellen Fortschritts, ohne ihn je zu bremsen, eine davonlaufen de Technologie zur Folge hat, so führt ein unangebrachter Glaube an die wissenschaftliche Methodologie, um menschliche Probleme in der Gesellschaft zu bewältigen, indem man sie rekonstruiert, zu einer Gewalt-Regierung. Eine humane Technologie vorausgesetzt, wird die Sozialstruktur für sich selbst sorgen.
     
    Natürlich
     
    Angewandte Anthropologie spielt eine Rolle bei Hilfsprogrammen für andere Länder, die von den Vereinigten Staaten das technische Wissen erbitten, um zu »modernisieren«. Führer des betroffenen Landes glauben vielleicht, die Sozialstruktur sei es, die nach dem Modell der fortgeschrittenen Nationalstaaten modernisiert werden müsse, und nicht einfach die Technologie der Industrie, der Kommunikation, des Verkehrs, der Landwirtschaft oder des Gesundheitswesens. Soziale Veränderung ist jedoch nur indirekt zu erreichen, durch die häufig unvorhergesehenen Konsequenzen technologischer Veränderung. Die Reaktion auf letzte re kann nicht umhin, im Sinne der lokalen Kultur stattzufinden, eher als durch Imitation der sozialen Ordnung, die die industrielle Revolution in ihren Ursprungsländern begleitet hat. Die beste Unterstützung, die die An thropologie bei der Steuerung sozialen Wandels anbie ten kann, ist der Versuch, die Konsequenzen technischer Innovation vorauszusagen und zu bestimmen, ob sie wahrscheinlich mehr oder weniger mit den nicht reduzierbaren Werten der in Frage stehenden Gesellschaft übereinstimmen werden.
    Aber stückweise Hilfe für dieses und
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