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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020
Autoren: Alexander Kröger
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eingelassenen Sprossen stehend, die notwendigen Zielzeichen für die nächste Baustufe anzubringen.
    Wenige Minuten nach dem Einschalten des Lasers – sie hätten lediglich noch kontrollieren müssen, ob der Strahl die berechnete Lage einnahm – klang ein Heulen auf. Es war wie das kurze Aufjaulen eines Hundes, das in endloser Folge wiederholt wurde. Das Geräusch schwoll an, wurde ohrenbetäubend. »Alarm«, sagte Ivo ruhig.
    »Was ist zu tun?« fragte Thomas, ohne an eine Gefahr zu denken. Seine beiden Helfer, die die Verhältnisse auf der Baustelle kannten, machten nicht den Eindruck, als bräche in der nächsten Zeit etwas über sie herein. Sie stiegen lediglich – nicht besonders eilig – aus dem Schacht. »Übung?« fragte Thomas erneut, diesmal etwas ungeduldig. »Kommt das hier öfter vor?«
    »Das erstemal«, brummte Ivo. Er klopfte die Hände an der Hose sauber. »Ich glaube nicht, daß es eine Übung ist.«
    Sie traten ins Freie. Zwei Männer rannten vorbei. »Was gibt’s?« rief Ivo. Einer rief im Laufen: »Der Damm soll reißen…«
    »Achtung!« Eine Männerstimme lag plötzlich über der Baustelle, brach sich in den Mauern und Böschungen, erzeugte einen Echohall. »Alle verlassen sofort auf dem schnellsten Weg den Kanal! Wassereinbruch! Ich wiederhole…«
    »… bruch…. bruch…. bruch«, klang es nach.
    »Los«, rief der Schwede, versetzte sich in Laufschritt und rannte auf die linke Böschung zu.
    »Verdammter Mist«, fluchte Ivo. »Alles futsch hier!«
    »Nichts zu machen?« fragte Thomas. Er zwang sich zur Ruhe. »I wo! Kein Risiko für die Menschen ist oberstes Gebot.«
    Wieder war da die Stimme. Sie wiederholte den gleichen Text in französischer Sprache.
    Plötzlich setzte über die linke Böschung ein Passagierluftschiff im Tiefflug. Es glitt langsam im Zickzack über die Baustelle. Eine Anzahl Leitern hing aus den Einstiegen. Einige Bauarbeiter kletterten nach oben.
    »Das ist sehr ernst«, sagte Ivo wie zu sich selbst, »komm!«
    »Wir nehmen das SAMO«, sagte Thomas zögernd. »Es schafft die Böschung.« Er machte einige Schritte auf das Fahrzeug zu. »Sag, der Damm ist etwa zwanzig Kilometer von hier?«
    »Ja – nun komm schon!« Ivo war bereits am SAMO. Thomas sah sich um, ob jemand, den sie mitnehmen konnten, in der Nähe war. Die, die er sah, hatten bereits die Böschung erreicht und hasteten nach oben. An der rechten Uferseite hatte sich eine Fahrzeugkolonne gestaut. Die Menschen sprangen ab und erklommen ebenfalls den Hang.
    Plötzlich setzte das Jaulen aus. Noch einmal tönte die Mahnung, den Kanal umgehend zu verlassen. Dann war es still, unheimlich still nach dem Getöse. Die Baustelle war tot. Das Pfeifen der Triebwerke des Luftschiffes, das unterhalb ihres Standortes den Kanal absuchte, und das entfernte Brummen eines Motors machten die Stille eher noch drückender. Thomas vernahm das Summen von Fliegen um sich herum. Er stand am SAMO, sah zurück auf die Baustelle, die Gerüste, angefangene Bauten, das viele Material, die abgestellten Fahrzeuge…
    Es kam ihm wie ein Alptraum vor. Das alles würde vernichtet werden. Er sah splitternde Hölzer, versinkende Mauern, sich aufbäumende Fahrzeuge, untergehend… Hier würde sich die Flutwelle brechen. Das unfertige Hebewerk würde zum neuen Damm werden und das Wasser hier aufhalten. Aber um welchen Preis! Und in wenigen Minuten. Wieviel Zeit war noch?
    Thomas saß hinter dem Steuer. Er sah zur Uhr, rechnete. »Es müßte noch eine halbe Stunde sein, etwa. Ein Kilometer in zwei Minuten…«, sagte er.
    »Oder auch nicht, mach schon!«
    »Wie könnte man es aufhalten?« Thomas blickte starr geradeaus. Gedankenverloren hatte er. das gesagt. Den Daumen hielt er am Anlasser. Aber da war so eine Idee, er spürte, wie sie von ihm Besitz ergriff, so als schlüpfe er in eine neue, noch zu enge Haut.
    »Bist du verrückt geworden?« rief Ivo. »Los, laß mich!« und er griff zum Steuer.
    »Augenblick«, Thomas drängte ihn mit dem rechten Arm zurück. »Du bist Sprengmeister, ja?«
    »Ja doch! Ich will aber nicht ersaufen, verstehst du!« schrie er.
    »Nun hör mal zu«, sagte Thomas ganz ruhig. Er hatte sich Ivo voll zugewandt, sah ihn fest an. Es schien, als beruhige sich der Finne unter seinem Blick. »Du gibst mir sofort einen Kernsprengsatz!«
    Ivo erschrak offenbar bis ins Innerste. Selbst die Bräune seiner Haut täuschte nicht darüber hinweg, daß er blaß geworden war. »Du bist verrückt!« Dann rief er hektisch: »Seihst
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