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Antarktis 2020

Antarktis 2020

Titel: Antarktis 2020
Autoren: Alexander Kröger
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er und ließ den Kompressor an.
    »Am Hauptpfeiler sieben wird es eingebaut. Dort!« Er wies unbestimmt voraus in ein Gewirr von Einrüstungen, Materialstapeln, rück- und vorwärts fahrenden Fahrzeugen aller Art und Hebezeugen. Im Vergleich zu anderen Baustellen bewegten sich verhältnismäßig viele Menschen in Thomas’ Blickfeld.
    Es dauerte eine Viertelstunde, bevor das SAMO vor dem Pfeiler hielt, der ein zentraler Teil des Baus war. Er bildete die Vorderstütze der Mittelwand, die die vier Aufzüge des Hebewerkes voneinander trennen sollte.
    Für den Einbau des Lotes bestens geeignet, stellte Thomas fest.
    »Wir haben die Arbeit schon einstellen müssen«, sagte Both, und es klang wie ein Vorwurf. »Höher als fünf Meter ohne Lot läßt die Bauleitung nicht zu.« Er zuckte mit den Schultern. Dann wies er auf eine kleine Tür: »Der Lotschacht. Da kannst du dich schaffen. Aber spute dich! Ich möchte in der Nacht weiterbauen lassen.« Hinter der Tür im Pfeiler wurde ein kleiner Raum sichtbar, dessen Fußboden mit Bauschutt übersät war. »Wenn du etwas brauchst, mußt du dich kümmern. Ich versuche, dir die Vermesser herzuschicken – oder jemand anders.« Mit diesen Worten ging Both. Er schritt bis zur Pfeilerecke und verschwand dahinter.
    Thomas blickte zur Uhr. Er glaubte Both gern, daß er jemanden schicken wollte. Nur – auf einer derartigen Baustelle gab es so viele Ablenkungen, über denen ein Versprechen leicht vergessen werden konnte. Also begann er, sich auf eine Alleinarbeit einzurichten. Zunächst stieß er mit den Füßen den Schutt beiseite, bis das Fundament des Lotapparates frei lag. Dann bat er zwei Bauarbeiter, ihm das Instrument in den Schacht tragen zu helfen. Es waren zwei ehemalige amerikanische Soldaten. Sie fragten Monig interessiert nach dem Zweck des Gerätes, nach dessen Prinzip. Er erklärte es ihnen mit verhaltener Ungeduld.
    Dann kam der Zeitpunkt, an dem Thomas seinen ursprünglichen Plan aufgab, noch am gleichen Tag zurückzufahren. Er dachte an die Staubwolken, die Fahrzeugmenge. Er beschloß, in den Unterkünften der Baustelle zu übernachten, sehr früh die Kollegen mit dem Gerät vertraut zu machen, danach aufzubrechen und gleich bis Timbuktu durchzufahren, siebenhundert Kilometer. Da würde er um fünfzehn Uhr ganz sicher am Ziel sein.
    Er machte eine Pause, zog das durchschwitzte Hemd aus und holte aus dem SAMO eine Picknickkonserve.
    Um die Ecke, hinter der Both verschwunden war, bogen zwei Männer. Sie blickten sich suchend um und kamen dann auf Thomas zu, der im Schatten eines Stapels Plasteplatten saß und eine Konserve verzehrte. »Bist du der mit dem Lot?« fragte der Kleinere der beiden. Thomas lächelte leicht. Offenbar fragten hier alle das gleiche. Der Kleine war vielleicht fünfundfünfzig Jahre alt, hatte ein eingefallenes, ausgemergeltes Gesicht mit tiefgeprägten Falten. Sein Körper war schmächtig; das offenstehende Hemd ließ braune Haut, die gut sichtbare Rippen überspannte, und schwarzgraue Löckchen frei; ebensolches krauses Haar drang buschig unter dem Schutzhelm hervor. Er sprach das Englisch langsam.
    Der andere, blond, kräftig und groß, schien es nicht sonderlich eilig zu haben, den Lotapparat kennenzulernen. Er hatte sich sofort neben Monig niedergelassen, den Kopf an den Stapel gelehnt und blickte phlegmatisch geradeaus.
    »Both sagt, wir sollen dir helfen«, sagte der Kleine. »Da staune ich«, sagte Thomas. »Konnte er euch also ausfindig machen. Ihr seid doch von der hiesigen Außenstelle GEOMESS?«
    »Nein, vom Sprengtrupp. Man nennt mich hier Ivo, bin der Truppführer.« Monig seufzte. »Thomas«, stellte er sich vor.
    »Wir haben jetzt nichts zu tun. Vorn sind sie im klaren Sand, und da meinte Both…«
    Thomas konnte sich denken, was Both meinte. Er stand auf, reckte sich und sagte: »Na, dann wollen wir.«
    Die beiden Sprenger stellten sich gelehrig an. Ivo blieb der Wortführer. Der Große sagte nur immer »okay«, wenn er einen Auftrag erhielt, führte ihn dann aber auch ordentlich aus.
    Sie begannen zu dritt das Gerät zu justieren und für den weiteren Bauabschnitt die Bezugsmaße festzulegen. Dabei erfuhr Thomas, daß Ivo Finne und sein schweigsamer Gefährte Schwede sei, daß Ivo im nächsten Jahr eine Planstelle in einem Baubetrieb Finnlands habe und er dann endlich wieder bei seiner Familie sein könne.
    Sie arbeiteten langsam. Es war bei der herrschenden Wärme beschwerlich, in dem fünf Meter hohen Schacht, auf den
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