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Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen

Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen

Titel: Ans Glueck koennte ich mich gewoehnen
Autoren: Ingrid Schilling-Frey
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psychologischen Erklärungsmodellen. Demnach erklärt Stefan Klein das Runner’s high physiologisch: Opioide lösen euphorische Gefühle aus und überdecken dabei den Schmerz. Oliver Stoll verweist auf psychologische Erklärungsmodelle, die die Euphorie des Laufens mit kognitiven Prozessen erklären, die während des Laufens im Gehirn stattfinden. Einen solchen kognitiven Prozess beschreibt die Ablenkungstheorie. Die Ablenkungstheorie geht davon aus, dass dann, wenn der Läufer intensiv läuft, er gleichzeitig von den Sorgen des Alltags abgelenkt ist.
    Stoll geht davon aus, dass sich beim positiven Gefühl des Laufens psychologische und physiologische Komponenten vereinen. Denn beim schnellen und intensiven Laufen ist unser Gehirn vermutlich mit Sauerstoff unterversorgt, unsere Stoffwechselaktivitäten konzentrieren sich auf die Zentren der Motorik und damit nicht auf die Zentren der Kognition. Damit sind wir wieder beim Flow und dem Geheimnis der vollen Konzentration.
    Hunderttausende von Menschen laufen. Nie gab es mehr Events, nie mehr Möglichkeiten an Marathonläufen, Zehn-Kilometer-Läufen oder Vergleichbarem teilzunehmen. Die physiologischen und psychologischen Komponenten sind das eine; darüber hinaus bietet der Sport und vor allem der Ausdauersport eine wunderbare Möglichkeit, sich eigene Ziele stecken und erreichen zu können.
    Laufen ist auch für mich zu einem festen Bestandteil meines Lebens geworden. Das Interesse für Sport stellte sich bei mir erst in einer eher sorgenvollen Zeit ein. Häufige Nacken- und Kopfschmerzen quälten mich. Mein Arzt verschrieb mir Sport. Also fing ich an zu laufen. Anfangs musste ich mich regelrecht zwingen, aber von Tag zu Tag merkte ich mehr, dass auch mein Körper zu sportlichen Aktivitäten fähig ist. Und nicht nur das: Ich merkte, wie gut es mir tat. Nicht nur, dass meine Nacken- und Kopfschmerzen deutlich besser wurden. Nach jedem Laufen fühlte ich mich wie neugeboren. Lästige Gedanken und Sorgen waren wie weggeflogen.
    Hier können wir uns die Frage stellen: Könnten wir dann von Glück sprechen, wenn wir an nichts denken müssen? Aber bewusst nicht zu denken ist doch eigentlich gar nicht möglich. Denn hat Bewusstsein nicht immer mit Denken zu tun? Können wir nichts denken? Denkprozesse können nur dann ausgeschaltet werden, wenn wir uns nicht auf das Denken konzentrieren, wenn unsere gesamte Konzentration von etwas anderem beansprucht wird. Wie etwa dann, wenn wir Risiken eingehen.
    Risiko als Bugwelle des Glücks
    Die bereits erwähnte Eiskletterin Ines Papert schreibt: »Meine Träume – sie haben damit zu tun, meine Grenzen weiter hinauszuschieben, mich an mein Limit heranzutasten. Auch im Fels hört für mich die Schwierigkeitsskala bei 8b nicht auf. Der Reiz ist die Herausforderung, und Herausforderungen wird es für mich immer geben. Am spannendsten sind Neuentdeckungen: Routen, die ich nicht kenne, Länder, die mir fremd sind, im Idealfall, bei einer Erstbegehung, die eigene Linie.« 5
    Vielleicht besteht die größte Gefahr des Lebens darin, niemals ein Risiko einzugehen. Auch für den Grenzgänger und Bergsteiger Reinhold Messner ist der Grenzgang eine von unendlich vielen Möglichkeiten, in den Flow -Zustand zu kommen, sich in einer Sache zu verlieren. Das, was er tat und, in Maßen aufgrund seines Alters, heute noch tut, kann vielleicht als asketischer Höchstleistungssport beschrieben werden. Messner inszenierte Grenzgänge, indem er beim Bergsteigen auf Bohrhaken oder Sauerstoffmaske verzichtete. Wie er selbst sagt, ging es ihm ums Überleben in schwierigen, anstrengenden, lebensgefährlichen Situationen. Es ging ihm um das Überleben als Kunst. Um Lebenskunst! In Reinhold Messners Buch Nanga Parbat – Bruder, Tod und Einsamkeit lesen wir von Dingen wie »Wallfahrt des Herzens«, »Stimme des Unbedingten«, »Ruf des Weltgeistes« oder »das wohl Stärkste aller männlichen Erlebnisse«. 6
    Mit den Grenzgängen werden auch immer wieder Grenzen verschoben. Denn es werden Dinge so lange für unmöglich gehalten, bis jemand dieser Realität trotzt und das Gegenteil beweist. Damit wird eine andere Wahrheit offenbar. Grenzsituationen können, nach dem Existenzphilosophen Karl Jaspers, dazu dienen, dass sich der Mensch seiner Einsamkeit und seiner eigenen Fragwürdigkeit bewusst wird. Auch für Reinhold Messner liegt der Grund des Grenzgehens im Bewusstwerden eigener Zerbrechlichkeit und Begrenztheit.
    Grenzsituationen sind wichtige
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