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Anne Rice - Pandora

Anne Rice - Pandora

Titel: Anne Rice - Pandora
Autoren: Pandora
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auf meine Fingernägel starrtest, deren Kri-stallglanz auch der Ruß nicht ganz verbergen konnte.
    Ich streckte die Hand nach dir aus und erwartete, dass du zurückzucken würdest, aber du legtest deine warme dunkle Hand vertrauensvoll in meine kalten weißen Finger.
    »Du siehst in mir ein lebendiges Wesen?«, fragte ich.
    »Aber ja, ganz eindeutig, ein strahlendes, perfektes lebendiges Wesen.«
    Wir bestellten uns Kaffee, wie die Sterblichen es von uns erwarteten, und rührten hingebungsvoll mit den Löf-feln in den kleinen Tassen, denn aus der Wärme und dem Aroma ziehen wir mehr Genuss, als Sterbliche sich das je vorstellen können. Vor mir stand ein rotes Dessert.
    Das steht natürlich immer noch dort. Ich bestellte es, weil es rot war – Erdbeeren in Sirup eingelegt – mit einem starken, süßen Duft, der Bienen anlockt.
    Ich lächelte über deine Schmeicheleien. Sie gefielen mir.
    Spöttisch ging ich auf das Spiel ein. Ich ließ meine Kapuze vom Kopf gleiten und schüttelte mein Haar, um seine Fülle und das dunkle Braun im Licht zur Geltung zu bringen.
    Natürlich hat dieser Glanz für Sterbliche nicht die Si-gnalwirkung, die das blonde Haar von Marius oder Lestat hervorruft. Aber ich mag mein Haar sehr, die Art, wie es einem Schleier gleich über meine Schultern fällt, und ich mochte, was ich in deinen Augen las.
    »Irgendwo tief in mir ist eine Frau versteckt«, sagte ich.
    Das nun niederzuschreiben – in diesem Notizbuch, während ich allein hier sitze – gibt dem banalen Augenblick Struktur, und es scheint ein notwendiges Geständnis zu sein.
    David, je länger ich schreibe, desto erregender finde ich das Erzählen als solches, und desto mehr glaube ich an die Bedeutung eines Zusammenhangs, der auf der geschriebenen Seite möglich ist, wenn auch nicht im Leben.
    Doch noch einmal: Ich wusste nicht, dass ich diesen Stift überhaupt zur Hand nehmen würde. Wir redeten nur.
    »Pandora, wer nicht sehen kann, dass du eine Frau bist, ist ein Dummkopf«, sagtest du.
    »Wie wütend wäre Marius auf mich, weil mir deine Bemerkung gefällt«, erwiderte ich. »Nein, doch nicht. Er würde es vielmehr als einen Pluspunkt für seine Ansicht werten. Ich verließ ihn nach unserem letzten Treffen, verließ ihn ohne ein Wort – das war vor Lestats kleiner Es-kapade, als er in einem menschlichen Körper herumlief, und lange bevor er mit Memnoch dem Teufel zusammentraf –, ich verließ Marius. Und plötzlich wünsche ich mir, ich könnte ihn erreichen! Ich wünschte, ich könnte mit ihm sprechen, so wie wir beide jetzt miteinander sprechen.«
    Du sahst um meinetwillen ganz bekümmert aus, und du hattest Grund dazu. Irgendwie musst du gespürt haben, dass ich so viel Enthusiasmus wie hier in so manchem eintönigen Jahr nicht aufgebracht habe.
    »Würdest du deine Geschichte für mich aufschreiben, Pandora?«, fragtest du unversehens.
    Ich war vollkommen überrascht.
    »In diese Notizbücher?«, drängtest du. »Erzähl von der Zeit, als du noch ein Mensch warst, von der Zeit, als ihr, du und Marius, euch begegnet seid. Über Marius kannst du schreiben, was du willst. Doch deine Geschichte, die brauche ich auf jeden Fall.«
    Ich war verblüfft.
    »Warum, in aller Welt, willst du die?«
    Du gabst keine Antwort.
    »David, du bist doch hoffentlich nicht zu diesem Orden der Sterblichen zurückgekehrt, zur Talamasca? Diese Leute wissen zu viel –«
    Du hobst die Hand.
    »Nein, und das werde ich auch nicht; und wenn ich da jemals Zweifel gehabt hätte, dann bin ich ein für allemal in Maharets Archiven eines Besseren belehrt worden.«
    »Sie hat dir erlaubt, ihre Archive zu sehen, die Bücher, die sie über die Zeiten hinweggerettet hat?«
    »Ja, das war bemerkenswert, weißt du … ein Lager-haus voller Tontafeln, Schriftrollen, Pergamente – Schriften und Dichtungen aus Kulturen, von denen die moderne Welt vermutlich nichts weiß. Bücher, die der Zeit entgangen sind. Natürlich hat sie mir verboten, etwas von dem, was ich gefunden habe, zu veröffentlichen oder im Einzelnen über unser Zusammentreffen zu sprechen. Sie sagte, es sei voreilig, in die Dinge einzugreifen, und auch sie hegte natürlich die Furcht, dass ich zur Talamasca gehen könnte – zu meinen früheren, übersinn-lich veranlagten sterblichen Freunden. Das habe ich nicht getan. Ich werde es nie tun. Aber es fällt mir nicht schwer, diesen Schwur zu halten.«
    »Wieso?«
    »Pandora, als ich diese alten Schriften sah – da wurde mir bewusst, dass ich kein
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