Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne

Titel: Anne - 01 - Anne - 01 - Das Leben wird schöner Anne
Autoren: Berte Bratt
Vom Netzwerk:
Ein sonderbares Geräusch, aus vielen Tönen zusammengesetzt. Es glich nicht dem Wasserfall zu Hause, es glich keinerlei menschlichen Stimmen, nicht dem Dröhnen des Motorboots oder Dampfschiffs, nicht dem Schlagen der Axt oder dem Lärm eines Werkzeugs - es glich keinem der bekannten Geräusche. Wie ein stetes seltsames Summen hörte es sich an. Ein Summen, das ohne Ende war.
    Die Lichter kamen näher. Die Stadt wuchs ihr entgegen, wurde groß, warf Schatten und ragte mit hohen Hausmauern in den Himmel. Sie lag da wie eine große mächtige Masse, unheimlich fast, und sie sandte nebelhafte Lichtstrahlen und summende Töne aus.
    Anne erkannte Frau Aspedal nicht sogleich wieder. Erst als sie ihre helle, frische Stimme hörte, hob sie den Kopf und winkte. »Hallo, Anne, da bist du ja! Bleib an Bord! Wir kommen und helfen dir mit dem Gepäck.«
    Frau Aspedal kam über die Gangway gelaufen, hinter ihr ein hochgewachsener Mann. »Ja, Georg, hier ist Anne. - Und dies ist mein Mann, Anne. Willkommen bei uns!«
    Georg Aspedal reichte ihr mit freundlichem Lächeln die Hand: »Herzlich willkommen, Fräulein Anne!«
    Anne blieb stehen, stumm und mit fragendem Blick. Es war das erstemal, daß jemand sie Fräulein nannte. »Fräulein« - wie das klang! »Sag nur ,du’ und ,Anne’ zu ihr«, rief Frau Aspedal mit hellem fröhlichem Lachen, »nicht wahr, Anne, das ist dir doch am liebsten?« Anne nickte, glücklich und erleichtert. Es war ihr in der Tat am liebsten. Mit »Fräulein« war auf Möwenfjord noch nie jemand angeredet worden. Herr Aspedal verstaute Annes Kiste und Koffer in einer Taxe. Noch hatte Anne nicht ein Wort gesprochen. Ihre Augen wanderten hin und her, und die ganze Zeit spürte sie diesen seltsamen Geruch. Den Geruch der Stadt. »Nun, Anne«, lächelte Frau Aspedal - wie viel sie doch lächelte, es war gerade, als könnte sie nicht ein Wort sagen, ohne zu lächeln, »hast du denn die Sprache verloren?« Anne blickte sie an. Ihre Augen waren ganz groß und ganz dunkel. »Es - es ist hier überall so viel Lärm, Gerda. Ich meine immer, ich müßte darauf warten, daß es aufhört.«
    »Lärm? Was für ein Lärm? Aber, Kind - die paar Autos.«
    »Nein. Nicht nur die Autos. Alles miteinander. Die vielen Stimmen - und die vielen Menschen mit ihren Schritten. und sie treten so hart auf.«
    »Sonderbar«, sagte Georg Aspedal. »Sonderbar, daß ein Landkind den Großstadtlärm noch so empfindet. Siehst du, Anne, wir hören ihn einfach nicht mehr. Ebenso wie man auch einen Wasserfall nicht hört, an den man Tag und Nacht gewöhnt ist.«
    »Ja«, nickte Gerda Aspedal, »so ist das: Ich würde bei dir zu Hause nicht eine einzige Nacht zum Schlafen kommen, Anne, so donnert mir euer Wasserfall ständig ins Ohr. Und du.« Jetzt war Anne an der Reihe, zu lächeln. »Ach, der Wasserfall - den merken wir gar nicht«, sagte sie.
    »Genau so, wie wir den Stadtlärm nicht merken.« Nun verstanden sie sich. Es war in der Tat dasselbe. Und als Anne sagte, es rieche so merkwürdig in der Stadt, da meinte Herr Aspedal sofort:
    »Auch das merken wir nicht. Wir merken nur, daß die Landluft anders ist. Frischer und reiner. In der Stadt denkt man einfach nicht mehr darüber nach, daß das, was wir täglich einatmen, eine Mischung von Benzin, Straßenstaub und Ruß ist. Und trotzdem, Anne, unsere Stadt hier ist sauber und still, verglichen mit den verqualmten dröhnenden Industriestädten. Das mag dir ein Trost sein.«
    »Ich glaube, Georg, ich werde keinen Trost brauchen«, sagte Anne, und jetzt war ihr Lächeln offen, vertrauensvoll und glücklich.
    Sie merkte nicht, daß Herr Aspedal sich räusperte, als sie ihn Georg und seine Frau Gerda nannte, wie sie es von daheim gewohnt war.
    Dieser Abend war so voll von neuen Erlebnissen, daß es fast zu viel wurde. In einem Aufzug sechs Stockwerke hinauffahren, aus dem Fenster schauen und nur Himmel hinter dem Nebelschleier sehen, aber tief, tief von unten den Straßenlärm hören, an einem Knopf drehen, anstatt eine Lampe mit dem Zündholz anzumachen, einen Hahn öffnen, anstatt das Wasser in einem Kübel zu holen -und dann auch noch erleben, daß warmes Wasser aus dem Hahn rinnt! Anne schwirrte der Kopf.
    »Aber Kind, auf dem Pfarrhof gibt es doch auch fließend Wasser«, sagte Frau Aspedal etwas verdutzt.
    »Ja, aber kein warmes. Und da gibt es kein solches. kein solches Zimmer wie dies hier.«
    Sie standen im Badezimmer, einem modernen, geschmackvoll eingerichteten Badezimmer in einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher