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Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See

Titel: Annabell oder Die fragwuerdige Reise in das Koenigreich jenseits der See
Autoren: George Neblin
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gebietend, bereit zur Schlacht – ganz so, wie es einem Heroen geziemt.

2.   Kapitel

 
 
    Obwohl ich keinerlei Appetit verspürte, fuhr ich hinunter, ging zum rechten Seiteneingang, bedachte den Portier, der mir mit einem ehrerbietigen Gruß die Tür öffnete, mit einem kaum merklichen Nicken und trat ins Freie.
    Die feuchtwarme Luft umschloss mich und quoll wie zähflüssiger Leim in meine Atemwege. Die Abgase der Autos und die Ausdünstungen der Ventilatorenschächte der Klimaanlagen reizten meine Lunge zum Husten.
    Ich hasste dieses Wetter. Eigentlich jedes Wetter. Wind, Regen und Schnee waren mir nicht weniger zuwider als diese elend schwüle Hitze. Aber für mein Frühstück bei Samuel’s nahm ich die hundert Schritte die Seitenstraße entlang regelmäßig in Kauf. Wenn ich an etwas glaubte, dann war es ein gutes Frühstück.
    Samuel’s war ein kleines Diner mit ungefähr zwanzig Sitzplätzen und einer Bar, an der etwa zehn Leute Platz fanden. Die Ausstattung war ebenso durchschnittlich wie der Großteil der Gäste. Das Essen indes war exzellent.
    Ohne auf eine entsprechende Aufforderung zu warten, setzte ich mich an einen kleinen Tisch in der hinteren Ecke des Raums, der möglichst weit von der Küche und deren unvermeidlichem Fettgeruch entfernt lag, wo Samuel, ein untersetzter Schwarzer Mitte fünfzig, mit der Zubereitung des Frühstücks beschäftigt war. Ich frühstückte immer an diesem Tisch und ich setzte unausgesprochen voraus, dass Rosa, die junge Bedienung, die hier seit einiger Zeit servierte, ihn auch während der Hauptfrühstückszeit für mich frei hielt – angesichts der Trinkgelder, die ich ihr zukommen ließ, ein mehr als angemessenes Verlangen.
    Obwohl Rosa bei meinem Erscheinen mit gezücktem Bleistift bei einem Pärchen an der Bar gestanden hatte, kam sie, ohne dessen Bestellung abzuwarten, auf mich zu.
    „Guten Morgen Mr. Meyers“.
    Sie legte mir wie jeden Morgen das Wall Street Journal auf den Tisch, das sie vermutlich am Zeitungsstand an der Ecke besorgt hatte.
    „Was darf ich Ihnen bringen?“
    „Guten Morgen Rosa, mein Schatz. Bringen Sie mir bitte eine große Portion Rührei mit Speck, gebratenen Tomaten und Hashbrowns, dazu French Toast mit Ahornsirup, ein Glas frisch gepressten Orangensaft und ein Kännchen English Breakfast Tee“.
    Kaffee würde ich im Büro noch zur Genüge in mich hinein schütten. Abgesehen von dem Espresso zum Wachwerden bevorzugte ich außerhalb des Büros schwarzen Tee.
    „Anstrengender Tag heute?“, erkundigte sich Rosa.
    Wenn mir das so deutlich ins Gesicht geschrieben war, musste ich an meiner Maske arbeiten.
    Ich zwang mich, ihr zuzulächeln, und nickte.
    Rosa mochte um die fünfundzwanzig Jahre alt sein. Ein schlankes Mädchen mit einem passablen Gesicht, dessen Vorfahren zumindest teilweise aus Mittel- oder Südamerika stammten, wenn man dem dunklen Haar und Teint, den braunen Augen und dem Hauch eines spanischen Akzents glauben durfte. Ihre schlichte Bluse spannte sich über handliche, pralle Brüste. Das kokette Lächeln, das sie mir schenkte, verriet, dass ich ihre Aufmerksamkeit nicht allein dem Trinkgeld zu verdanken hatte.
    Vielleicht würde ich sie irgendwann einmal in mein Apartment einladen, sie zu einem Glas Champagner in meiner großen Badewanne bewegen und genüsslich diese Brüste massieren. Bisher hatte ich davon Abstand genommen, weil ich befürchten musste, dass es meine Frühstücksroutine beeinträchtigen könnte, wenn sie feststellte, dass sie nur ein einziges Mal in meine Bettwäsche schwitzen würde.
    Nicht lange nach meinem Einzug im Highstone hatte ich Ähnliches mit Irina, einer vollschlanken Mittdreißigerin, erleben müssen, die für die Reinigung meiner Wohnung zuständig gewesen war. Wir waren uns an einem Wochenende begegnet, als ich unerwartet zu Hause gearbeitet hatte. Ich hatte ihr versichert, es wäre in Ordnung, wenn sie wie geplant ihre Aufgaben erledigte, und sie von meinem Schreibtisch aus beobachtet. Wir waren ins Gespräch gekommen und, als sich herausstellte, dass sie seit zu langer Zeit alleinerziehende Mutter ohne männliche Bezugsperson war, hatte ich mich großherzig erboten, ihr den nötigen Trost zu spenden. Sie hatte sich in vielerlei Hinsicht als sehr begabt und offen für die Umsetzung verschiedenster Praktiken gezeigt, die sie wie mich Stunden später erschöpft und nicht in der Lage, die Arbeit fortzusetzen, zurückließen.
    Leider hatte meine eindeutige Weigerung, ein derartiges
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