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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
Autoren: Rina Bachmann
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setzte sich und atmete tief durch. Ihr Blick fiel auf das Fenster. Das dunkle Grau, das seit langem tagein, tagaus draußen hing, blickte gleichgültig zu ihr zurück. Die junge Frau stieg aus dem Bett und schleppte sich ins Bad. Seltsam . Seit einer Ewigkeit versuche ich einzuschlafen. Und wenn ich es schaffe, mich kurz abzuschalten, dann kommt so ein Schrecken dabei raus. Sie sank auf den Rand der Badewanne und schloss die Augen. Bilder aus ihrem Alptraum gingen ihr wieder durch den Kopf. Sie waren so klar, so echt, so nah. Wie kalt es war und wie ausweglos das Ganze schien! Kalte Schauer liefen ihr über den Rücken. Sie stand auf, spritzte sich ein paar Handvoll lauwarmes Wasser ins Gesicht, zog sich eine dunkle Hose, eine warme Bluse und einen alten flauschigen Pullover an, in dem sie sich immer wohlfühlte, und lief nach unten.

Kapitel 3. Kein kleines Mädchen.
    Im Wohnzimmer war alles so, wie sie es am Abend davor gelassen hatte. Alphira lag immer noch in ihrem Sessel, den Kopf zur Schulter geneigt. Die junge Frau kam näher, sah sie prüfend an, nahm ihre Hand. Sie war schlaff und kühl.
    „Oma?“
    Schweigen.
    „Oma? Hörst du mich?“ Sie berührte die ältere Frau leicht an der Schulter.
    Keine Reaktion.
    Anna wurde schlagartig bewusst, dass etwas passiert war, was sie nur schwer, wenn überhaupt, wieder gutmachen konnte. „Oma?“ Sie rüttelte kräftiger.
    Das Gesicht der Großmagierin blieb unverändert still.
    „Nein, bitte nicht!“ Die junge Frau kniete vor Großmagierin. „Oma, das kannst du doch nicht machen!“ Ihre Stimme war nur noch das klägliche Wimmern eines alleingelassenen Welpen. „Oma, ich brauche dich!“ Ein dicker Kloß schnürte ihr die Kehle zu.
    Kein Lebenszeichen.
    Anna legte die Finger auf ihren Hals. Es folgten einige Sekunden der Stille. Ihre Hand fing leicht zu zittern an. Sie schnappte nach Luft und kämpfte gegen die in ihr aufbrandende Panik an. Doch dann vernahm sie ein leichtes, kaum merkliches Schlagen der Ader und atmete erleichtert aus. Sie lebt. Sie lebt! Sie schläft nur. Die junge Frau richtete sich auf und blickte in Alphiras zuvor so vertrautes Gesicht, dem jetzt jeder Ausdruck fehlte. Es schien das Gesicht einer Fremden zu sein. „Ach Oma, warum musst du mich auch verlassen? Ausgerechnet du. Und ausgerechnet jetzt, wo ich dich am dringendsten brauche.“
    Das Gesicht der älteren Frau blieb bewegungslos.
    „Was ist das für ein seltsames Ding, dieses Leben? Alle, die einem lieb und teuer sind, verabschieden sich, ohne den Grund nur ansatzweise anzudeuten. Sie gehen einfach so und meist in einem herzlich unpassenden Moment.“ Anna setzte sich auf den Boden vor den Füßen der Großmagierin, stützte das Kinn auf die Knie und blickte nachdenklich ins finstere Grau hinter dem Fenster. „Wenn ich nur wüsste, wie ich das alles ändern könnte“, seufzte sie und lauschte in die Stille des Hauses hinein. „Ich höre die Wölfe heulen und sich über die leichte Beute freuen. Wenn ich sie nur von uns fernhalten könnte, wie damals.“ Längst vergessene Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf.
    Weite Steppe, unendlicher blauer Himmel, frischer Wind, der feinen Sand über das frische Gras rollt, die Frühlingssonne, die tief über dem Horizont steht und einem Mädchen von etwa fünf Jahren direkt in die Augen scheint. Es sitzt auf einer alten, löchrigen Filzdecke, ein großer, gelber Hund döst hinter ihrem Rücken. Keine Menschenseele weit und breit. Das scheint gar nicht zu stören. Das Mädchen wendet sich von der untergehenden Sonne ab und wirft kleine, runde, mit verschiedenen Zeichen wie einem Kreis, einem Häuschen, einem Pfeil, einer Feder versehene Steine auf die Decke vor sich. Mit einem konzentrierten Gesichtsausdruck guckt es die Zusammenstellung der Zeichen an, sammelt die Steine und wirft sie wieder.
    Ein Rudel Wölfe taucht aus dem Sandwirbel auf.
    Der Hund springt auf und fängt an zu bellen, den Schwanz zwischen die Hinterläufe gesteckt. Sein Gebell geht in ein Jaulen über. Es hört sich wie ein langer, hoffnungsloser Hilferuf an. Die Wölfe steuern unbeirrt auf die beiden zu. Der Hund wird lauter, je näher sich das Leittier zielstrebig und sicheren Schrittes dem Mädchen nähert.
    Es ist ein großer, dunkelgrauer Wolf mit kräftigen Pranken und riesigem Kopf. Jetzt steht er nur ein paar Meter vor dem Kind entfernt, die gelben Stoßzähne gefletscht, Angriffslust in seiner Haltung, Anflug von Spott in den gierigen Augen.
    Der Hund
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