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Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)

Titel: Anna und das Vermächtnis der Drachen (German Edition)
Autoren: Rina Bachmann
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Keine Chance. Sie steckte fest. Das Wasser reichte ihr mittlerweile bis über die Knie. An der Haut kribbelte und zwackte es. Es fühlte sich an, als würden Dutzende von kleinen Würmern an ihren Waden knabbern und ihren Weg ins Fleisch suchen. Ekelschauder liefen ihr über den Rücken.
    Das Wasser stieg unerbittlich weiter. Bald reichte es bis zur Taille. Sie erstarrte vor Kälte. Ihre langen Haare schwammen auf der dunklen Oberfläche. Anna schaute genauer hin. Es waren Schlangen, die sich mit der stinkenden Brühe vollsaugten und mit jeder Sekunde runder und dicker wurden. Sie ließen ihre glänzende Haut nochmals aufblitzen und verschwanden in den Untiefen.
    Der Nebel lichtete sich. Etwas bewegte sich und ließ sie aufblicken. Eine riesige Wand, dunkel wie eine Gewitterwolke, kroch auf sie zu. Je näher sie kam, desto deutlicher wurden ihre schaurigen Bestandteile. Unzählige Gestalten, die sich schemenhaft vom dunkelgrauen Hintergrund abzeichneten, veränderten fließend ihre Form. Ein merkwürdiges Kaleidoskop. Erst sahen die Geschöpfe wie Menschen aus, dann verwandelten sie sich in Drachen mit weiten Schwingen und kräftigen Körpern. Im nächsten Moment wurden sie wieder von Menschen verdrängt, ausgemergelte Gestalten, die sich wie Sklaven gebeugt mühsam durch die Dunkelheit schleppten und schwere Steine einen Berg hochrollten. Doch schon löste sich das Bild wieder auf und ein anderes zeichnete sich vor dem grauen Hintergrund ab.
    Bullige Figuren, die großen Affen ohne Kopf ähnelten, trotteten hintereinander im Kreis und schoben dicke Balken vor sich her. Diese wurden von einer Unmenge ähnlicher Kreaturen in schwarzen Uniformen ersetzt, die mit Gewehren bewaffnet in langen Reihen zielstrebig zu den zackigen Bergketten am Horizont marschierten. Kaum lösten sie sich in der Wolke auf, kristallisierten sich wieder die Drachen heraus. Sie waren hell, ihre Panzer schimmerten silbern. Sie bewegten sich leicht durch die Lüfte und bildeten mit ihren Körpern vor dem dunkelgrauen Hintergrund seltsame Formationen. Anna sah mit weit aufgerissenen Augen hin, ihr Atem stockte. Aus irgendeinem Grund wollte sie diese Zeichen im Gedächtnis behalten, das ging aber nicht. Sie veränderten sich ständig: Eine Figur floss in die andere und im nächsten Moment wurde aus ihr wieder etwas anderes.
    Das Wasser war ihr mittlerweile bis zur Brust gestiegen. Sie nahm es kaum wahr. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Geschehen dort oben. Plötzlich erschien eine zierliche Frauenfigur in langem, schwarzem Kleid. Sie blieb etwas abseits vom Geschehen, hob ihre rechte Hand und richtete sie auf die Drachen. Ein greller Blitz entwich ihren Fingern. Er war so unerträglich hell, dass die Jungmagierin für ein paar Momente die Augen zukneifen musste. Kräftiger Donner krachte sogleich und erschütterte sie bis ins Knochenmark. Als sie wieder aufblickte, waren die Drachen weg. Eine riesige, silbrig schimmernde Wolke raste ziellos im Zickzack durch die unsichtbaren Routen des dunklen Himmels. Im unteren Teil der grauen Wand wurden langsam die Schemen von schwarzen Echsen sichtbar. Sie rissen ihre Mäuler auf und schnappten, als wenn sie die Wolke aufzufangen suchten.
    Anna steckte mittlerweile bis über den Schultern im Sumpf. Die Wand schien gefährlich nah. Sie sah jetzt wie ein gigantischer Wirbel aus, der sie jede Minute zu verschlingen drohte. Anna konnte nichts dagegen tun, stand einfach still da und starrte auf das anrollende schwarze Monster. Ein klebriges Gefühl der Ausweglosigkeit beschlich sie. Die eklige Kreatur zog sie stetig weiter nach unten. Das kann es doch nicht gewesen sein . Es muss doch etwas dagegen geben! Das Wasser stieg höher und gluckste unter den Ohren. Es müsste etwas geben, das diesen Unfug zunichtemacht! Sie musste das Kinn nach vorne recken. Wenn ich wüsste, was … Das Blut hämmerte in ihren Schläfen.
    Die braune Brühe blubberte auf. Dutzende Bläschen kamen hoch und lösten sich an der Oberfläche auf. Strenger Geruch nach Schwefel und Verwesung stieg ihr in die Nase und rief akute Übelkeit hervor. Sie hustete.
    Das ist nicht das Ende. Es gibt etwas dagegen. Ganz sicher. Ich muss nur herausfinden, was. Das Wasser berührte ihre Lippen. Die ersten schweren Regentropfen fielen ihr auf die Stirn. Sie fühlten sich wie Steine mit scharfen Kanten an.
    Nein, es ist nicht das Ende. Sie atmete tief ein. Nein, nein! Es ist bestimmt nicht das Ende. Im Gegenteil. Es ist der Anfang.
     
    Anna schrak auf,
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