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Ann Pearlman

Ann Pearlman

Titel: Ann Pearlman
Autoren: Apfelblüten im August
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habe ziemlich früh Sex gehabt, aber immer nur mit einem einzigen Mann. Mit Troy nämlich. Mein bester Freund, mein Seelenpartner und jetzt endlich auch der Vater meines Babys.
    Endlich deshalb, weil Troy und ich nicht nur perfekt zusammenpassen, sondern obendrein auch noch genetisch teilweise übereinstimmen. Deshalb besteht bei jeder Empfängnis die fünfzigprozentige Chance einer tödlichen Erbkrankheit, was bei uns zu drei Fehlgeburten und einer Totgeburt geführt hat. So viele Tode. Ich hätte alles für ein gesundes Baby hergegeben. Bitte, lieber Gott, schenk mir ein gesundes Kind. Bitte. Ich bettelte, ich feilschte, als könnte man mit der Zukunft einen Deal aushandeln. Ich überlegte, was ich der Zukunft versprechen könnte, was ich herzugeben bereit wäre.
    Irgendwann wurden meine Gebete erhört. Und ich hatte nichts hergeben müssen. Rachel war einfach da, trotz allem. Rachel mit den grauen Augen meines Vaters, die mir vorkommen, als hätte er ihr einen Teil von sich geschenkt. Wenn ich in ihre Augen schaue, sehe ich ihn. Dann sehe ich, dass er mich liebt und mich beschützt. Genau wie Mom es mir damals versprochen hat. Seine Augen und das Kratzen seiner Bartstoppeln, das sind meine lebhaftesten Erinnerungen an ihn, und manchmal – aber nur manchmal – fühlt Troys Gesicht sich fast genauso an, nur ein wenig weicher.
    4 Uhr 15.
    Sei dankbar für das, was du hast. Troy dreht sich zu mir um, zieht mich zu sich herüber und kuschelt sich an mich. Vorsichtig wende ich den Kopf und sehe im schwachen Morgenlicht, das durchs Fenster hereindringt, wie seine Augen sich unter den Lidern bewegen. Er träumt. Bald werde ich Rachels Bettchen knarren hören – dann weiß ich, sie zieht sich an den Gitterstäbchen hoch, hält sich fest, fängt an zu hüpfen und ruft, Mommymommymommymommy, Daddydaddydaddydaddy.
    Seit Mia tot ist, wache ich morgens früh auf und versuche, mir einen Reim darauf zu machen. Auf der Uhr leuchtet die grüne Digitalanzeige. Im Haus ist es still, als könnte ich die Antwort auf eine Frage, die ich nie gestellt habe, in Troys und Rachels regelmäßigen Atemzügen finden.
    Ich bin okay. Troy ist okay. Rachel ist okay. Ich bin traurig. Weiter nichts. Das Leben ist unfair. Sehr unfair.
    Aber das weiß jeder.
    Vor allem Juristen. Denn wir versuchen ja, das Leben fair zu machen, genau das ist unsere Mission. Für jeden faire Bedingungen zu schaffen. Missstände zu beheben.
    Passiert ist Folgendes: Mia war meine beste Freundin, meine BF. Wir haben uns im Studium kennengelernt, in einer Arbeitsgruppe über Schadensersatzrecht. Sie versuchte schwanger zu werden, nachdem sie eine Totgeburt gehabt hatte. Gemeinsam kämpften wir mit der Rechtsprechung, mit der Fruchtbarkeit und bereiteten uns nebenbei auf den Brustkrebs-Marathon vor. Ich mit Troy und Mia mit ihrem Mann Marc gingen zusammen in den Rocky Mountains campen und versuchten uns in Las Vegas am Glücksspiel. Wir sprachen darüber, zusammen eine Kanzlei aufzumachen. Dann nahm Mia Medikamente, um den Eisprung anzuregen, und bekam davon eine Zyste. Als sie sich die Zyste wegoperieren ließ, reagierte sie allergisch auf das Narkosemittel und fiel ins Koma. Sie war hirntot, und wir sahen zu, wie diverse Geräte ihr Luft in die Lungen pumpten und Flüssigkeit und Nährstoffe in die Adern filtrierten. Nach vier Tagen zog Marc den Stecker aus den Maschinen. Wir hielten uns an den Händen und weinten.
    Als die Beatmung stoppte, herrschte plötzlich gespenstische Stille.
    Ein träges Echo im Raum. Dann war Mia tot.
    Sechsundzwanzig Jahre alt und tot.
    Das ist noch schlimmer als vierunddreißig.
    Seither wache ich morgens mit einem Ruck auf und versuche daraus schlau zu werden.
    4 Uhr 30.
    Warum dreht sich mein Leben um Tragödien, wo ich für so viele Dinge dankbar sein kann? Ich habe Rachel. Troy. Einen Job, den ich liebe. Einen Chef, der akzeptiert, dass ich halbtags arbeite, bis Rachel ganztags in die Vorschule kann.
    Als ich erfuhr, dass die Resultate von Rachels genetischen Tests in Ordnung waren, habe ich Mia gefragt: »Du bist darüber jetzt hoffentlich nicht so traurig, dass wir keine Freundinnen mehr sein können, oder?«
    Wir hatten gerade unseren Fünf-Meilen-Lauf am Strand absolviert, ich war schon ziemlich langsam wegen der Schwangerschaft, wir waren beide außer Atem, und Mia antwortete: »Ich wollte, es wäre mir passiert, aber wenn ich schon nicht schwanger sein kann, dann bin ich froh, dass wenigstens du es bist.« Es war Winter in
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