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Angst

Angst

Titel: Angst
Autoren: Robert Harris
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senkrechten Säulen, allerdings ohne eingezeichnete Werte – der Traum eines Mathematikers, der jedoch verpuffte, nachdem er ihn ein paar Sekunden lang mit zusammengekniffenen Augen betrachtet hatte. Was er sah, war das grelle Licht von acht 500 Watt starken Wolfram-Halogen-Überwa chungsscheinwerfern, das durch die Jalousieschlitze strahlte. Mit der Wattleistung hätte man ein kleines Fußballfeld beleuchten können. Eigentlich hatte er die Anlage auswechseln wollen.
    Die Schaltuhr für die Scheinwerfer war auf dreißig Sekunden eingestellt. Während er darauf wartete, dass das Licht wieder ausging, überlegte er, was die Infrarotstrahlen, die den Garten wie ein Raster durchzogen, unterbrochen haben könnte. Vielleicht eine Katze, dachte er, oder ein Fuchs oder Zweige und Laub, die der Wind abgerissen hatte. Ein paar Sekunden später erlosch das Licht tatsächlich, und das Zimmer versank wieder in tiefer Dunkelheit.
    Allerdings war Hoffmann jetzt hellwach. Er griff nach seinem Handy. Es war eines aus einer Kleinserie, die spe ziell für den Hedgefonds hergestellt worden war und gewis se vertrauliche Anrufe und E-Mails verschlüsseln konnte. Er schaltete es ein und warf auf der Website von Profit & Loss einen schnellen Blick auf die Kurse in Fernost – unter der Bettdecke, weil Gabrielle diese Angewohnheit sogar noch mehr verabscheute als seine Zigarren. Wie vorausgesagt, gaben die Märkte in Tokio, Singapur und Sidney nach, während VIXAL -4 schon um 0,3 Prozent zugelegt hatte, was nach seiner Rechnung hieß, dass er in diesen wenigen Stunden Schlaf fast drei Millionen Dollar verdient hatte. Zufrieden schaltete er das Handy aus und legte es wieder auf den Nachttisch. In diesem Augenblick hörte er ein Geräusch: leise, nicht identifizierbar und doch seltsam beunruhigend, als ob sich irgendwer durchs Erdgeschoss bewegte.
    Er schaute zu dem winzigen roten Lichtpunkt des Rauchmelders an der Decke und schob unter der Bettdecke vorsichtig seine Hand hinüber zu Gabrielles Seite. Wenn sie sich geliebt hatten und sie danach nicht einschlafen konnte, war Gabrielle in letzter Zeit immer noch zum Arbeiten nach unten in ihr Studio gegangen. Seine Hand fuhr über die warme wellige Matratze, bis die Fingerspitzen die Haut ihrer Hüfte berührten. Sie brabbelte etwas Unverständliches, drehte sich zu ihm um und zog die Bettdecke fester um ihre Schultern.
    Er hörte wieder ein Geräusch, stützte sich auf die Ellbogen und lauschte angestrengt. Er konnte es nicht einordnen, es war ein unregelmäßiges, schwaches Klopfen. Vielleicht die noch ungewohnten Geräusche der Heizung oder eine im Luftzug schlagende Tür. Zu diesem Zeitpunkt war er noch ziemlich ruhig. Das Haus verfügte über erstklassige Sicherheitseinrichtungen, was einer der Gründe gewesen war, warum er es wenige Wochen zuvor gekauft hatte: außer den Flutlichtstrahlern eine drei Meter hohe Mauer mit schweren elektronischen Toren, die das gesamte Grundstück umschlossen, kugelsichere Fenster in allen Erdgeschossräumen und eine über Bewegungsmelder gesteuerte Alarmanlage, die er – da war er sich sicher – ein geschaltet hatte, bevor er schlafen gegangen war. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Einbrecher all das überwunden hatte, war winzig. Außerdem war Hoffmann körperlich fit: Er hatte schon vor langer Zeit festgestellt, dass er bei hoher Endorphinausschüttung besser denken konnte. Er trainierte. Er joggte. In ihm regte sich der atavistische Instinkt, sein Territorium zu schützen.
    Er schlüpfte aus dem Bett, vorsichtig, um Gabrielle nicht zu wecken, setzte seine Brille auf, zog Morgenmantel und Hausschuhe an. Unschlüssig stand er da und schaute sich in der Dunkelheit um. Ihm fiel nichts ein, was er als Waffe aus dem Zimmer mitnehmen konnte. Er steckte das Handy ein und öffnete die Schlafzimmertür – erst nur einen Spalt weit, dann ganz. Die Lampe von unten warf ein schwaches Licht auf den Treppenabsatz. Er blieb auf der Türschwelle stehen und lauschte. Die Geräusche – wenn es sie denn gegeben hatte, was er allmählich bezweifelte – waren verklungen. Nach etwa einer Minute ging er zur Treppe und dann sehr langsam hinunter.
    Vielleicht lag es daran, dass er vor dem Zubettgehen Darwin gelesen hatte. Jedenfalls registrierte er jetzt, während er die Treppe hinunterging, mit wissenschaftlicher Nüchternheit seine eigenen körperlichen Symptome. Sein Atem ging schneller, und sein Herzschlag beschleunigte sich so stark, dass er sich unwohl fühlte. Seine
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