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Angelglass (German Edition)

Angelglass (German Edition)

Titel: Angelglass (German Edition)
Autoren: David Barnett
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seines Blicks bleibt in meinem Bewusstsein haften.
    Ich hocke mich neben Hannah und klatsche ihr meine Hand ins Gesicht. »Das Schießpulver, wo ist es?«
    Sie rührt sich und stöhnt. Ich schlage sie noch einmal.
    »Das Schießpulver!«
    »In deinem Zimmer …«
    Die Tür öffnet sich mit einem Klicken. Alle drehen sich um. Jennys Kopf erscheint in der Türöffnung. Padraig schluchzt und betätigt seine Waffe. Jenny zuckt getroffen zusammen und fällt hin. Draußen schreit jemand.
    Es dauert eine Minute, um durch den Gang zu rennen und die Treppe zu meinem Zimmer hinaufzustürzen. Nach meiner Berechnung bleiben mir höchstens noch zwei Minuten, um die Zünder unschädlich zu machen. Hannah hat sich einigermaßen erholt und folgt mir schluchzend. Ich trete meine Tür auf. Da sind sie: Ein ganzes Dutzend Fässer voll Schießpulver. Die gefährlich kurzen Lunten zischen drohend.
    »O Gott, was hast du getan?«, brüllt John. »Verdammte Scheiße. Das werdet ihr beide büßen.«
    »Werden wir nicht«, sagt Karla, die ihre Fassung wiedergewonnen hat. »Sagt Gute Nacht, Leute.«
    »Woher soll ich wissen, was ich tun soll, wenn die Zeit gekommen ist?«
    Meister Ripellino dreht die Karte um. »Der Eremit. Schaut in Euch selbst.«
    Es bleibt nicht genügend Zeit, um alle Lunten zu löschen. Eine allein würde die Fässer explodieren lassen und das Schloss ausradieren. Schaut in Euch selbst. Die Wachen auf der Karlsbrücke … das dumpfe Klicken in Dees Türschloss unter der warmen Berührung meiner Hand … Ich lasse das Licht aus meinem Bewusstsein hervorstrahlen und konzentriere mich auf jedes einzelne Fass. Ich weiß nicht genau, was geschehen ist, doch als ich die Lunte an einem der Fässer herausreiße, ist gar kein Schießpulver darin.
    Sondern nur Rosenblüten.
    Hannah erscheint in der Tür. Sie reibt sich den Arm, dort, wo der Golem sie gepackt hatte.
    »Poutnik«, sagt sie. »Es tut mir leid. Ich …«
    Sie verstummt und legt den Kopf schräg, so, als ob sie etwas hörte. Eine Sekunde später höre ich es auch; das schwache, aber deutliche Zischen einer letzten Lunte.
    »Nein«, sage ich ganz ruhig. »Nein.«
    Im selben Moment stürzt sich Cody auf John. Ein dumpfer Schuss bringt ihn zu Fall.
    »Verfluchte Scheiße«, grunzt John.
    »Schwein«, sagt Karla.
    Ich kneife die Augen zusammen. Zu spät. Johns Waffe schmilzt in seinen Händen. Ungläubig starrt er sie an. Cody hört auf zu atmen.
    »Schwein«, sagt Karla noch einmal. Ihre Augen sind voller Tränen.
    Dann drückt sie auf den Auslöser in ihrer Hand.
    Schnell zähle ich die Fässer. Der süße Duft von Rosenblättern erfüllt den Raum. Es sind nur elf.
    »Unter dem Bett«, sagt Hannah.
    Ich stürze mich auf Karla. »Nein! Nein! Nein!«
    John wirft die brühheiße Waffe weg und zieht eine andere aus seiner Jacke. Schüsse ertönen – ob von Padraig oder John kann ich nicht sagen.
    Licht erfüllt den Raum.
    Eine letzte Karte fällt auf den Tisch. »Tod. Veränderung. Bewegung. Neuer Anfang.«
    Das Licht wird so hell, dass man nichts mehr erkennen kann. Weit, weit entfernt höre ich das erstickte Geräusch des Todes.
    Ich habe versagt.
    Ich habe versagt.

Intermezzo 5
    Die Schreie ersterben, aber das Licht strahlt weiter. Als sich seine Augen daran gewöhnen, tritt ein bekanntes Gesicht daraus hervor. »Metatron«, sagt Uriel mit schwacher Stimme. »Du hast mich zurückgeholt.«
    »Willkommen zu Hause, Uriel«, erwidert Metatron freundlich. »Deine Strafe ist vorüber.«
    Uriel setzt sich und blickt umher. Er ist in seinem Heim, draußen vor seinem Balkon liegt die geschäftige glänzende Stadt. Das helle Summen der Perfektion liegt in der milden, klaren Luft.
    »Du darfst dich nicht bei mir allein bedanken«, fährt Metatron fort. »Das Komitee hat gesprochen. Wir vertrauen darauf, dass du in deinem Exil dort unten viel gelernt hast.«
    Uriel steht auf und gleitet auf den Balkon. »Das habe ich«, murmelt er. »Ich habe tatsächlich viel gelernt.«
    »Es gibt keine Unschuldigen«, sagt Metatron mit einem amüsierten Lächeln. »Darin bestand unsere Strafe. Du solltest die Unschuldigen retten, um den ewigen Kreislauf von Tod und Wiedergeburt aufzuhalten. Doch wir haben dir einen Streich gespielt, Uriel. Aber du weißt, dass es nur zu deinem Besten geschah.«
    »Meinem Besten?«
    »All das Gerede«, sagt Metatron und macht eine unbekümmerte Handbewegung. »All das Gerede von Verantwortung und Schutz. Wir warfen dich in eine unendliche Zahl von Konflikten, dort
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