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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Susan Ee
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wächst, als wir von einem Auto zum nächsten springen, denn wir kommen schneller vorwärts, als ich erwartet habe.
    Wir biegen in den Camino Real ein, einer Hauptverkehrsader des Silicon Valley. Mein Spanischlehrer hat gesagt, El Camino Real würde »der königliche Pfad« bedeuten. Der Name passt, wenn man bedenkt, dass selbst die örtlichen Herrscher, die Gründer und höchsten Mitarbeiter der innovativsten Hightech-Unternehmen der Welt, dass diese Herrscher genau wie jeder andere hier im Verkehr stecken geblieben sind.
    Geparkte Autos haben die Kreuzungen lahmgelegt. Bis vor sechs Wochen habe ich hier im Valley noch nie einen Verkehrsstillstand erlebt. Die Fahrer waren immer alle so zuvorkommend wie nur möglich. Doch was mich wirklich davon überzeugt, dass uns die Apokalypse erreicht hat, ist das Knacken der Smartphones unter meinen Füßen. Nur das Ende der Welt würde unsere umweltbewussten Technikfreaks dazu bringen, ihr neuestes Spielzeug einfach so auf die Straße zu werfen. Auch wenn die Geräte mittlerweile nur noch totes Gewicht bedeuten, ist das fast schon frevlerisch.
    Ich hatte kurz darüber nachgedacht, auf den schmaleren Straßen zu bleiben, doch die Gangs werden sich dort verstecken, wo sie weniger exponiert sind. Wenn wir sie in ihrer eigenen Straße herausfordern, könnten sie für einen Einkaufswagen voller Diebesgut das Risiko eingehen, ihre Deckung aufzugeben, auch wenn es Nacht ist. Aus dieser Entfernung werden sie wahrscheinlich nicht erkennen, dass es sich nur um einen Haufen leerer Flaschen und Lumpen handelt.
    Gerade will ich mich hinter einem SUV aufrichten, um unseren nächsten Sprung zu planen, als sich Paige durch eine offene Autotür lehnt und nach etwas auf dem Sitz greift.
    Ein Energieriegel. Ungeöffnet.
    Er liegt mitten zwischen ein paar vereinzelten Zettelhäufchen, die aussehen, als seien sie aus einer Tasche gefallen. Das Schlaueste wäre, ihn sich einfach zu schnappen und wegzurennen, um ihn an einem sicheren Ort zu essen. Doch in den letzten paar Wochen habe ich gelernt, dass sich der Bauch ziemlich leicht über den Verstand hinwegsetzt.
    Paige reißt die Packung auf und bricht den Riegel in drei Teile. Sie strahlt, als sie die Stücke herumreicht. Ihre Hand zittert vor Hunger und Aufregung. Und trotzdem reicht sie uns die viel größeren Stücke und behält das kleinste für sich.
    Ich breche meines entzwei und gebe Paige eine Hälfte, Mom macht das Gleiche. Paige wirkt niedergeschlagen, als würden wir ihre Geschenke ablehnen. Ich lege meinen Finger auf die Lippen und blicke sie streng an. Widerstrebend akzeptiert sie unser Angebot.
    Seit sie drei Jahre alt war und wir zusammen den Streichelzoo besucht haben, ist Paige Vegetarierin. Obwohl sie fast noch ein Baby war, konnte sie die Verbindung zwischen dem Truthahn, der sie zum Lachen gebracht hat, und ihrem Sandwich herstellen. Bis vor ein paar Wochen – bevor ich darauf bestand, dass sie alles isst, was ich von der Straße kratzen kann – haben wir sie unseren kleinen Dalai Lama genannt. Zurzeit ist ein Energieriegel das Beste, was ich für sie tun kann.
    Erleichtert entkrampfen sich unsere Gesichtszüge, als wir in den knusprigen Riegel beißen. Zucker und Schokolade! Kalorien und Vitamine.
    Einer der Papierzettel segelt vom Beifahrersitz herunter, und ich erhasche einen Blick auf das, was da geschrieben steht:
    Frohlocket! Der Herr ist nah! Schließt euch New Dawn an und seid die Ersten, die ins Paradies kommen.
    Es ist ein Flyer irgendeines dieser apokalyptischen Kulte, die seit den Angriffen wie Pickel auf fettiger Haut sprießen. Darauf abgebildet sind verschwommene Fotos der glutroten Zerstörung Jerusalems, Mekkas und des Vati kan. Der Flyer sieht aus, als hätte ihn jemand in Heimarbeit eilig zusammengebastelt, als würde noch immer jemand Nachrichtenvideos abfotografieren und die Bilder auf einem billigen Farbdrucker ausdrucken …
    Wir schlingen unser Essen hinunter, doch ich bin zu unruhig, um den süßen Geschmack zu genießen. Wir sind fast in der Page Mill Road angelangt, die uns durch eine mehr oder weniger unbesiedelte Gegend auf die Hügel führen wird. Ich schätze, wenn wir erst einmal in der Nähe der Hügel angekommen sind, werden unsere Überlebenschancen dramatisch steigen. Inzwischen ist es tiefe Nacht. Der Halbmond taucht die verlassenen Autos in ein unheimliches Licht.
    Irgendetwas an dieser Stille macht mich nervös. Wenigs tens ein paar Geräusche sollten doch zu hören sein. Eine
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