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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Susan Ee
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Blutspur zurück.
    Mein Ablenkungsmanöver war schockierend erfolgreich. Hoffnung brandet in mir auf, dass meine Familie in der Zwischenzeit ein neues Versteck gefunden hat.
    Dann explodiert die Welt um mich herum, als mir der Rostfarbene mit dem Handrücken einen Schlag versetzt.
    Ich fliege nach hinten und krache auf den Asphalt. Meine Lunge zieht sich so stark zusammen, dass nicht mal ansatzweise an Atemschöpfen zu denken ist. Alles, was ich tun kann, ist, mich wie ein Knäuel zusammenzurollen und zu versuchen, ein kleines bisschen Luft in mich hineinzubekommen.
    Der Rostfarbene dreht sich nach dem Schneeweißen um, den man jetzt nicht mehr als schneeweiß bezeichnen kann. Er zögert, all seine Muskeln sind angespannt, als würde er seine Chancen abwägen, gegen den verletzten Engel zu gewinnen. Der Schneeweiße schwankt, flügellos, blutüberströmt, und ist kaum in der Lage, sich auf den Beinen zu halten. Doch sein Schwert ist fest auf den Rostfarbenen gerichtet. Die Augen des Weißen brennen vor Zorn und Entschlossenheit, wahrscheinlich das Einzige, was ihn noch aufrecht hält.
    Der blutende Engel muss einen Ruf wie Donnerhall haben, denn trotz seines Zustands stößt der kerngesunde, bullige Rostfarbene sein Schwert zurück in die Scheide. Er wirft mir einen angewiderten Blick zu, sprintet die Straße hinunter, und nach ungefähr einem halben Dutzend Schritte tragen ihn seine Flügel durch die Lüfte davon.
    In dem Moment, als sein Feind ihm den Rücken zuwendet, fällt der verletzte Engel zwischen seinen abgetrennten Flügeln auf die Knie. Sieht aus, als würde er einigermaßen zügig verbluten, und ich bin mir ziemlich sicher, dass er in ein paar Minuten elendiglich verendet sein wird.
    Endlich schaffe ich einen ordentlichen Atemzug. Die Luft brennt in meiner Lunge, doch meine Muskeln entspannen sich, als sie endlich wieder Sauerstoff bekommen. Ich spüre alle Wonnen der Erleichterung. Langsam löst sich mein Körper aus der Verkrampfung, ich drehe mich um und blicke die Straße hinab.
    Was ich da sehe, durchfährt mich wie ein Stromstoß.
    Paige rollt sich mühsam die Straße entlang. Der Rostfarbene hält in seinem Aufstieg inne, kreist wie ein Geier über ihr und setzt zu einem Sturzflug an.
    Schon bin ich wieder auf den Füßen und rase in Lichtgeschwindigkeit auf die beiden zu.
    Meine Lunge schreit nach Sauerstoff, doch ich ignoriere sie.
    Der Rostfarbene blickt mich selbstgefällig an. Sein Flügelschlag peitscht mein Haar zurück, während ich weiter auf ihn zusprinte.
    So nah, so nah. Nur ein bisschen schneller. Meine Schuld. Ich habe ihn so sehr verärgert, dass er Paige aus reinem Groll etwas antun würde. Mein Schuldgefühl versetzt mich nur noch mehr in Panik. Ich muss sie retten.
    Der Rostfarbene ruft: »Lauf, du Affe, lauf!«
    Hände greifen nach unten und schnappen sich Paige.
    »Nein!«, schreie ich und strecke die Arme nach ihr aus.
    Sie wird in die Luft gehoben und brüllt meinen Namen: »Penryn!«
    Ich erwische den Saum ihrer Hose, klammere mich an den Baumwollstoff, auf den Mom einen Strahlenkranz genäht hat, um sie vor bösen Mächten zu schützen.
    Einen Moment lang lasse ich die Hoffnung zu, dass ich sie zurückziehen kann. Einen Moment lang spüre ich schon die Erleichterung, und die Anspannung in meiner Brust lässt nach.
    Dann entgleitet der Stoff meiner Hand.
    »Nein!« Ich springe hoch, um an ihre Füße zu kommen. Meine Fingerspitzen streifen ihre Schuhe. »Bring sie zurück! Du willst sie nicht! Sie ist nur ein kleines Mädchen!« Am Ende bricht meine Stimme.
    Innerhalb kürzester Zeit ist der Engel zu hoch, um mich überhaupt noch zu hören. Trotzdem schreie ich ihm weiter hinterher, jage die beiden auch dann noch die Straße entlang, als Paiges Schreie in der Ferne verklingen. Bei dem Gedanken, dass er sie aus dieser Höhe fallen lassen könnte, bleibt mir fast das Herz stehen.
    Die Zeit dehnt sich ins Unendliche, als ich schwer atmend auf der Straße stehen bleibe und zusehe, wie der kleine Fleck am Himmel zu einem Nichts zusammenschrumpft.

5
    Lange nachdem Paige in den Wolken verschwunden ist, wende ich mich um und halte nach meiner Mutter Ausschau. Nicht, dass sie mir nicht wichtig wäre. Es ist nur: Zwischen uns ist es schwieriger als in der üblichen Mutter-Tochter-Beziehung. Die rosige Liebe, die ich für sie empfinden sollte, ist durchsetzt von Schwarz, gesprenkelt mit diversen Grautönen.
    Keine Spur von ihr. Ihr Einkaufswagen liegt auf der Seite, der Ramsch ist
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