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Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Angelfall: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Autoren: Susan Ee
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Schnitt, den man sich an einem Blatt Papier zugezogen hat. Ich krame in dem Kasten und lese die Aufschriften auf den kleinen Verpackungen. Da ist eine Packung Aspirin. Wirkt Aspirin neben Kopfschmerzen nicht auch gegen Fieber? Ein Blick auf das Etikett bestätigt meine Vermutung.
    Ich habe keine Ahnung, ob Aspirin bei einem Engel wirkt, oder ob sein Fieber überhaupt von den Verletzungen kommt. Nach allem, was ich weiß, könnte das auch seine normale Körpertemperatur sein. Er sieht zwar aus wie ein Mensch, aber schließlich ist er keiner.
    Mit dem Aspirin und einem Glas Wasser gehe ich in das Eckbüro zurück. Der Engel liegt bäuchlings auf der schwarzen Couch. In der ersten Nacht habe ich noch versucht, ihn zuzudecken, aber er hat sich immer wieder freigestrampelt. Also liegt er jetzt nur in seiner Hose, den Stiefeln und mit all dem um ihn herumgewickelten Verbandszeug da. Als ich ihm in der Dusche das Blut abgebraust habe, habe ich kurz darüber nachgedacht, ihm die Hose und die Stiefel auszuziehen, doch dann habe ich be schlossen, dass ich nicht dazu da bin, es ihm bequem zu machen.
    Das schwarze Haar klebt an seiner Stirn. Ich versuche, ihn dazu zu bringen, ein paar der Tabletten zu schlucken und von dem Wasser zu trinken, doch er wird nicht wach genug, um überhaupt irgendetwas zu tun. Wie ein glühender Felsblock liegt er da, ohne jede Reaktion.
    »Wenn du das Wasser nicht trinkst, lasse ich dich hier alleine sterben.«
    Sein bandagierter Rücken hebt und senkt sich so ruhig und gleichmäßig wie die letzten beiden Tage auch schon.
    Inzwischen war ich vier Mal draußen, um nach Mom zu suchen. Doch ich bin nicht weit gekommen, denn ich hatte die ganze Zeit Angst, der Engel würde in meiner Abwesenheit aufwachen oder ich würde meine Chance verpassen, Paige zu finden, weil er mir unter den Händen wegstirbt. Es mag ein paar verrückte Frauen geben, die auf der Straße alleine klarkommen, aber das gilt nicht für kleine Mädchen, die im Rollstuhl sitzen, niemals. Also bin ich nach der Suche jedes Mal zurückgerast, erleichtert und frustriert zugleich, den Engel immer noch bewusstlos vorzufinden.
    Zwei Tage lang habe ich die meiste Zeit nur herumgesessen und Instantnudeln gegessen, während meine Schwester …
    Ich kann es nicht ertragen, daran zu denken, was ihr vielleicht zustößt, zumal ich mir schlicht nicht vorstellen kann, was Engel mit einem Menschenkind anstellen wollen. Versklavung kommt wohl nicht infrage, denn sie kann ja nicht mal laufen. Hastig verdränge ich den Gedanken. Ich werde nicht weiter darüber nachdenken, was passieren könnte oder vielleicht schon passiert ist. Ich muss mich einfach nur darauf konzentrieren, sie zu finden.
    Wut und Frust überschwemmen mich. Am liebsten würde ich einen Tobsuchtsanfall bekommen, wie eine Zweijährige. Ich werde von dem starken Drang überwältigt, das Wasserglas an die Wand zu schmeißen, die Bücherregale umzuwerfen und mir die Seele aus dem Leib zu brüllen. Die Versuchung ist so groß, dass meine Hände zu zittern beginnen. Das Glas Wasser bebt und droht überzuschwappen.
    Doch statt es an die Wand zu schmeißen, schütte ich seinen Inhalt auf den Engel. Ich will das Glas hinterher feuern, halte mich aber zurück.
    »Wach auf, verdammt noch mal! Wach auf! Was machen die mit meiner Schwester? Was haben sie mit ihr vor? Wo zur Hölle ist sie?!« Obwohl ich genau weiß, dass ich riskiere, die Straßengangs auf uns aufmerksam zu machen, schreie ich so laut ich kann, denn es ist mir egal.
    Als Dreingabe trete ich noch gegen die Couch.
    Zu meiner Verblüffung öffnet er müde die Augen. Sie sind von einem tiefen Blau und starren mich wütend an. »Kannst du vielleicht ein bisschen leiser sein? Ich versuche hier zu schlafen.« Seine Stimme ist rau und voller Schmerz, doch irgendwie gelingt es ihm trotzdem noch, ein gewisses Maß an Herablassung hineinzulegen.
    Ich falle auf die Knie und blicke ihm direkt ins Gesicht. »Wo sind die anderen Engel hin? Wo haben sie meine Schwester hingebracht?«
    Er schließt absichtlich die Augen.
    Mit aller Kraft haue ich ihm auf den Rücken, genau da, wo die Verbände blutig sind.
    Er beißt die Zähne zusammen und schlägt die Augen wieder auf. Ein Zischen entweicht ihm, aber er schreit nicht auf vor Schmerz. Wow, sieht der sauer aus! Ich wider stehe dem Impuls, einen Schritt zurückzuweichen.
    »Du machst mir keine Angst«, sage ich so kalt ich kann und versuche, meine Furcht zu unterdrücken. »Du bist zu schwach, um
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