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Angela Merkel

Titel: Angela Merkel
Autoren: Dirk Kurbjuweit
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wurde behauptet, mit dem wirtschaftlichen Erfolg bildete sich eine Mittelschicht, eine Bürgerklasse, die irgendwann politische Rechte und Freiheiten einfordern werde, Rechteder Teilhabe, so wie es in Europa und Nordamerika im 18. und 19. Jahrhundert war. Aber vielleicht stimmt das nicht für Russland und Asien. Vielleicht gibt sich das Bürgertum mit Wohlstand und Sicherheit zufrieden und verzichtet auf die Revolution, will nicht einmal eine langsame Entwicklung zur Demokratie. 20 Jahre nach dem Fall der Mauer zeigt sich jedenfalls, dass nicht alle Staaten zwangsläufig den Weg zur Demokratie gehen.
    Damit gerät die Demokratie unter Druck. Bislang war sie das einzig attraktive System auf Erden. Der Sozialismus brachte zwar Gleichheit, aber auch Lebensverhältnisse, die kaum einer aushielt. Nun riecht Parteiendiktatur plötzlich ein bisschen nach Chanel No. 5. China hat seit Jahren Wachstumsraten um zehn Prozent und es ist nicht undenkbar, dass es den Mittelschichten dort eines Tages besser gehen wird als im Westen.
    Es gibt jetzt schon eine kleine Sehnsucht nach chinesischen Verhältnissen. Das Beispiel dafür ist der Transrapid. Er wurde in Deutschland entwickelt und 20 Jahre lang getestet. Aber zu mehr als einer Teststrecke konnte sich die deutsche Politik nicht durchringen. In China ging das ruckzuck. Man wollte ihn haben, also hat man in Windeseile eine Strecke gebaut. Wow, dachten viele Deutsche, so geht das also. Das bewundernde Wort dafür war Effizienz. Doch das wahre Wort dafür ist Rücksichtslosigkeit. China braucht keine langen Genehmigungsverfahren, es wird einfach eine Schneise durchs Land geschlagen, egal ob da einer wohnt, egal ob sich ein Transrapid rechnet.
    Aber die Demokratie wird sich mehr und mehr anchinesischen Verhältnissen messen lassen müssen. Rücksichtslosigkeit heißt ja auch, dass man sich nicht so sehr um Umweltfragen schert oder um Fragen der Moral bei biotechnologischen Forschungen. Rücksichtslosigkeit heißt, dem Wachstum kaum Grenzen zu setzen. Und irgendwann könnte es sein, dass ein Land wie China den Menschen mehr Wohlstand beschert als zum Beispiel die Bundesrepublik. Was sagen dann die Deutschen?
    Die hadern jetzt schon mit ihrer Demokratie. Die gehen nicht mehr so gerne wählen, die schließen sich kaum noch Parteien an, die haben keine Lust, für Parlamente und öffentliche Ämter zu kandidieren, die informieren sich nicht mehr regelmäßig über Politik und zeigen sich in Umfragen gerne politik- und demokratieskeptisch. Und jetzt ist auch noch die Marktwirtschaft schwer diskreditiert, die doch als Erfindung und Voraussetzung der Demokratie gilt.
    Noch ist die Demokratie in Deutschland fest verankert, aber es wäre gefährlich, sie als Selbstverständlichkeit hinzunehmen. Man muss sie pflegen und verteidigen, damit sie im Konkurrenzkampf der Systeme ihre Attraktivität behält.
     
    Und natürlich bleibt der islamistische Terrorismus eine große Herausforderung für die Politik. Da haben sich Leute gegen unsere Lebensweise verschworen, und sie sind bereit, uns mit allen Mitteln zu bekämpfen. Das sind nun auch Männer, die mit unserer Lebensweise aufgewachsen sind, Deutsche, die zum Islam konvertiertenund gelernt haben, zu hassen, was westlicher Lebensstil ist. Glück und aufmerksame Sicherheitskräfte haben lange verhindert, dass es zu einer Katastrophe kommt. Aber sie ist jederzeit möglich. Man muss sich wappnen, und auch das ist für eine Demokratie besonders kompliziert. Sicherheit und Schutz der Bevölkerung sind nicht alles, dagegen steht der Wunsch, unbehelligt von staatlichen Schutzmaßnahmen zu leben, Freiheiten genießen zu können. Der Streit zwischen den Prinzipien Freiheit und Sicherheit hat Deutschland die ganze erste Regierungszeit von Angela Merkel hindurch begleitet, und er ist nicht ausgestanden. Hier das richtige Maß zu finden, bleibt eine große Aufgabe der Politik.
     
    Die Frage, die Deutschland in den kommenden Jahren wohl am meisten diskutieren wird, ist die Frage der Gerechtigkeit. Aber die Diskussion wird unter einem anderen Namen laufen: Ungerechtigkeit. Das ist der Eindruck, der sich in den vergangenen Jahren bei vielen Deutschen breitgemacht hat. Die meisten Untersuchungen belegen, dass die Schere zwischen Arm und Reich aufgeht, dass das Armutsrisiko wächst, während Reichtum ständig noch mehr Reichtum generiert.
    Es gibt auch das Gefühl, dass die unteren Schichten ihren Beitrag zur Gesundung der Volkswirtschaft geleistet haben, und
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