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Angela Merkel

Titel: Angela Merkel
Autoren: Dirk Kurbjuweit
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Steinmeier bald schon wieder besorgt, dass sich die Kanzlerin auf das Konzept der Modernisierungspartnerschaft draufsetzen könne, das er für sich reklamierte, aber das war nach der heißen Krisenphase. Als Vernunft dringend gefordert war, zeigten sich die deutschen Spitzenpolitiker vernünftig. Das ist das Mindeste, was man erwarten darf, sicher, aber so wie Politik in den Normalzeiten ist, war ich mir nicht sicher, dass sie es hinkriegen würden.
     
    Es dauerte nur wenige Wochen, bis die nächste große Krise ausbrach. Diesmal waren es die Finanzmärkte, die die Welt in die Angst vor einer Katastrophe stürzten. Die Ursache liegt ein paar Jahre zurück und scheint zu klein, zu banal, um die Welt komplett verwandeln zu können, ihr ein neues Antlitz zu geben. Anfang des Jahrtausends war Geld in den USA billig und reichlich vorhanden. Die Geldinstitute wollten Geschäfte damit machen und trieben die Amerikaner zu Hauskäufen. So gut wie jeder bekam einen Immobilienkredit, ob er nun solvent war oder nicht. Und die Geldinstitute ließen die Kreditpapiere nicht einfach liegen, sondern überlegten, wie sie damit weiteres Geld verdienen konnten. Also wurden die Kreditpapiere verbrieft und in den Handel gegeben. Aber Handel war nicht einfach Kaufen und Verkaufen, sondern Handel war auch Wetten und Spielen, ein großer Zirkus der Illusionisten, der sie immer weiter von der realen Grundlage, den Hauskrediten entfernte. Und mit jedem neuen Geschäft wurden Hebel angesetzt, wuchs die Summe des Geldes, das als Hoffnung gehandelt wurde. Eine Blase entstand, und sie ist in den vergangenen Jahren geplatzt, weil es eben sehr riskant ist, aus Dreck Geld zu machen. Viele Hauskäufer konnten ihre Kredite nicht mehr bedienen, die Kreditpapiere wurden wertlos. Die Blase ist geplatzt. Es hat eine Weile gedauert, bis sich das auswirkte, aber im Spätsommer 2008 gingen plötzlich die großen amerikanischen Investmentbanken in die Knie. Lehman Brothers musste ganz aufgeben.
    Es dauerte nicht lange, bis die schwarze Flut nachEuropa schwappte, auch nach Deutschland. Überall waren milliardenschwere Kredite faul, Papiere nichts mehr wert. Die staatliche Bank IKB hatte es schon 2007 umgerissen. Damals dachten die Deutschen noch, sie würden damit davonkommen, glimpflich also. Doch dann geriet auch hierzulande die Welt aus den Fugen. Im September gab Bundesfinanzminister Peer Steinbrück dem Spiegel ein Interview, in dem er beruhigte, beschwichtigte. Doch zwei Tage später war er in eine plötzliche Rettungsaktion verstrickt. Die Hypo Real Estate Holding, ein Geldhaus, das in den Deutschen Aktienindex (Dax) aufgenommen worden war, weil es als besonders solide und kräftig galt, stand vor der Insolvenz. Es musste gerettet werden, bevor am Montagmorgen die Bankschalter öffneten. Das Rennen gegen die Katastrophe begann, die hohe Zeit des Krisenmanagements.
    Deutschland veränderte sich in atemberaubender Geschwindigkeit. In einem Land, das Politiker misstrauisch beäugt und Beamte verachtet hatte, stiegen Politiker und Beamte zu letzten Hoffnungsträgern auf. Die Banker hatten versagt, die Wirtschaft insgesamt war diskreditiert und ratlos. Der Wert des Wortes Freiheit, das das wichtigste Wort der Wirtschaft gewesen war, sank in der allgemeinen Gunst. Nun wurde nach Kontrolle gerufen, Kontrolle der Banken, Kontrolle über die ökonomische Gier insgesamt. Im Herbst 2008 waren die wichtigsten Akteure des Wirtschaftsgeschehens zwei Politiker und zwei Beamte, Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück sowie Jens Weidmann, der Abteilungsleiter Wirtschaft imKanzleramt, und Jörg Asmussen, Staatssekretär im Finanzministerium. Das Wort »neoliberal« verschwand praktisch aus der politischen Debatte. Auf den Staat kam es an, also vor allem auf die Bundeskanzlerin.
    Die Stationen in der ersten Phase des Krisenmanagements waren diese: Die Bundesregierung garantierte die Spareinlagen. Sie spannte einen Rettungsschirm für die abstürzenden Banken. Merkel und Steinbrück reisten zu einem Weltkrisengipfel nach Washington, wo zwanzig Staaten über eine neue Finanzordnung berieten. Es gab ein erstes Paket mit staatlichen Anreizen, um die Konjunktur zu beleben. Der Staat beteiligte sich mit 25 Prozent plus einer Aktie an der Commerzbank, die sich damit praktisch in ein Staatsunternehmen verwandelte. Im Januar wurde ein zweites Konjunkturpaket geschnürt. Zudem entwickelte sich eine Debatte über die Frage, ob der Staat sich nur an Banken oder auch an
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