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Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)

Titel: Angela Merkel – Die Zauder-Künstlerin (German Edition)
Autoren: Nikolaus Blome
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gelernt haben und wie wir sie gewohnt sind, auf supranationaler Ebene gar nicht funktionieren kann?« Im Gegenteil sogar die Zwänge national organisierter (parlamentarischer) Legitimation das »nachnationale« Geschäft in Brüssel beständig erschwerten? Ein Autor wie Menasse kann diese Zweifel in klare Worte kleiden, ein Politiker darf es nicht – zumindest nicht öffentlich.
    Zynische Verachtung für die einfachen Leute ist Angela Merkel bei alledem fremd, aber genauso wenig macht sie sich Illusionen. Bei ihrem TV-Duell mit dem damaligen Kanzler Gerhard Schröder saßen 2005 zwar etliche Millionen Zuschauer vor dem Fernseher. Aber Merkel ist sicher: »Der einzige Satz, der hängen blieb, war doch der von Gerhard Schröder: Ich liebe meine Frau.« Wie gesagt, Angela Merkel erzählt so etwas nicht mit Verachtung in der Stimme, sondern mit ergebenem Schulterzucken. Im Gegenzug besteht sie deshalb sehr selbstbewusst auf einer Art Arbeitsteilung zwischen Regierenden und Regierten. Sie lässt sich den Wert des eigenen Tuns nicht herunterquatschen, gerade weil sie weiß, dass in der Demokratie nun einmal selbst jene den Mund aufmachen dürfen, die nachweislich keine Ahnung haben. Weil die Deutschen tatsächlich zumeist allergisch auf Parteien-Streit, auf »Parteien-Gezänk«, reagieren, hat sie für sich den Schluss gezogen: Die Leute wollen nicht das Hin und Her verfolgen, sie wollen das Problem gelöst haben. Und aus einem anderen Kreis wird sie zitiert: »Selbst von einer Revolution wollen die Deutschen am liebsten erst im Nachhinein benachrichtigt werden.« Sie hält es mit Bismarck, der gesagt haben soll: »Je weniger die Leute davon wissen, wie Würste und Gesetze gemacht werden, desto besser schlafen sie.« Das ist Angela Merkels Bild des Durchschnitts-Deutschen, der nicht viel erklärt haben will – weshalb sie auch nicht so viel ins Erklären investiert.
    Als Oppositionsführerin hat sie erlebt, wie die rot-grüne Regierung Schröder an der Vermittlung ihrer Hartz-Reformen scheiterte, wie die verunsicherten Bürger auch durch anhaltendes Erklären nicht zu beruhigen waren. Zu Beginn der großen Koalition überreichte ihr Franz Müntefering eine eigens für die SPD -Spitze angefertigte wissenschaftliche Untersuchung des rot-grünen Kommunikations-Desasters mit Hartz IV. Demnach habe das immer neue Erklären nicht geholfen, im Gegenteil. Es habe die Menschen vielmehr in der instinktiven Wahrnehmung bestärkt, die Sache sei so immens kompliziert, dass die Politik das in keinem Fall hinkriegen könne. Dann, so mag sich Angela Merkel denken, dann doch lieber erst nach vollzogener Revolution das Volk benachrichtigen.
    Besonders gilt das für Reformen: Wenn’s schon sein muss, sollen den Leuten danach aber auch ein, zwei Jahre Ruhe gegönnt werden; und wenn es wieder soweit ist, bloß nicht laut drüber reden. So denkt inzwischen nicht nur die Agenda-2010-geschädigte SPD , von deren Vorsitzenden Sigmar Gabriel das unübertreffliche Zitat stammt: »Die Menschen sind zutiefst verunsichert und sehnen sich nach dem Ort, wo sich nichts ändert. (…) Selbst das, was schlecht ist, soll so bleiben, wie es ist.« So viel anders denken die Kanzlerin und ihre engsten Berater auch nicht. Denn: Angela Merkel ist nach wie vor fest davon überzeugt, dass Konsens-Sehnsucht und Veränderungsfeigheit vieler Deutscher sie fast um die Kanzlerschaft gebracht hätten, damals im Sommer und Herbst 2005. Aufsetzend auf ihrem ungekannt liberalen Leipziger Parteitags-Beschluss samt Bierdeckel-Steuerreform und Kopfpauschalen-Gesundheitsplan hatte die CDU unter Merkel einen Reform-Wahlkampf geführt, Härten angekündigt, klirrend von »Durchregieren« geredet – und dem Ganzen mit dem designierten Finanzminister-Professor Paul Kirchhof auch noch ein Gesicht gegeben. Alles zusammen brachte den eigentlich schon chancenlosen Kanzler Gerhard Schröder derart gut zurück ins Spiel, dass die SPD um ein Haar mehr Stimmen als die Union eingefahren hätte. »Nie wieder ein Reform-Wahlkampf«, steht im Lager Merkel seither fest.
    Was nicht automatisch heißen muss, nie wieder Reformen. Die CDU etwa hat Angela Merkel in nunmehr 12 Jahren als Vorsitzende radikal verändert, vergleicht man vorher mit nachher bei Familienbild, Zuwanderung, Schule, Wehrpflicht, Wirtschaftspolitik etc. Sie hat es jedoch verstanden, auch größere Veränderungen in eine unaufgeregte Fortschreibung alter bürgerlicher Traditionslinien umzurubeln. Und das (Partei)Volk hat
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