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Ange Pitou, Band 1

Titel: Ange Pitou, Band 1
Autoren: Alexander Dumas
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ist minder dumm, brummte er, nachdem er seinen Schüler stillschweigend einen Augenblick betrachtet hatte. Indessen ist es nur scheinbar und nicht begründet.
    Oh, wenn ich der Sohn eines Mannes von achtzehntausend Livres Rente wäre! wiederholte Ange Pitou, der bemerkt zu haben glaubte, seine Antwort habe einigen Eindruck auf seinen Professor gemacht.
    Ja, doch du bist es nicht. Dagegen bist du unwissend wie der Bursche, von dem Juvenal spricht; eine profane Citation, – der Abbé bekreuzte sich – aber nicht minder richtig. Arcadius Juvenis. Ich wette, daß du nicht einmal weißt, was Arcadius sagen will.
    Bei Gott! arcadisch, antwortete Ange Pitou, indem er sich mit Stolz aufrichtete.
    Und dann weiter?
    Was weiter?
    Arcadien war das Land der Esel und bei den Alten wie bei uns Asinus synonym mit stultus.
    Ich wollte die Sache nicht so verstehen, sagte Pitou, indem der Gedanke, der strenge Geist, meines würdigen Professors könnte sich bis zur Satire erniedrigen, weit von mir entfernt war.
    Und der Abbé Fortier schaute ihn zum zweiten Male mit nicht minder tiefer Aufmerksamkeit als das erste Mal an.
    Bei meinem Wort, murmelte er, ein wenig besänftigt durch den Weihrauch seines Schülers, es giebt Augenblicke, wo man darauf schwören würde, der Bursche sei nicht so dumm, als er aussieht.
    Ah! Herr Abbé, sagte Pitou, der, wenn nicht die Worte des Professors gehört, doch in seinem Gesicht den Ausdruck der Rückkehr zum Mitleid erhascht hatte, verzeihen Siemir, und Sie sollen sehen, welch ein schönes Thema ich morgen machen werde.
    Nun denn, ich willige ein, erwiderte der Abbé, indem er zum Zeichen des Waffenstillstands seine Geißel in seinen Gürtel steckte und sich Pitou näherte, der auf diese friedliche Demonstration an seinem Platze zu bleiben sich entschloß.
    Oh! ich danke, ich danke! rief der Schüler.
    Warte und danke nicht so rasch; ja ich verzeihe dir, doch unter einer Bedingung.
    Pitou neigte das Haupt und wartete mit Resignation, da er der Willkür des Lehrers anheimgegeben war.
    Unter der, daß du mir ohne Fehler auf eine Frage antwortest, die ich an dich richten werde.
    In lateinischer Sprache? fragte Pitou ängstlich.
    Lateinisch, erwiderte der Professor.
    Pitou stieß einen Seufzer aus. In einem kurzen Zwischenraume, der nun eintrat, drangen die freudigen Schreie der Schüler, welche auf dem Schloßplatz spielten, bis zu den Ohren von Ange Pitou.
    Pitou stieß einen noch tieferen Seufzer aus.
    Quid virtus, quid religio? fragte der Abbé.
    Mit dem Nachdruck des Pädagogen ausgesprochen, erschollen diese Worte in den Ohren des armen Pitou wie der Trompetenstoß des Engels vom jüngsten Gericht. Eine Wolke zog vor seinem Auge hin, und es ging in seinem Verstande eine solche Anstrengung vor, daß er einen Augenblick die Möglichkeit, ein Narr zu werden, begriff.
    Infolge dieser Hirnarbeit, die, so gewaltig sie war, doch kein Resultat herbeiführte, ließ die verlangte Antwort unbestimmte Zeit auf sich warten; man hörte nun das gedehnte Geräusch einer Prise Tabak, welche langsam der furchtbare Frager schnupfte.
    Pitou sah wohl, daß er ein Ende machen mußte.
    Nescio, sagte er, in der Hoffnung, seine Unwissenheit würde ihm verziehen werden, wenn er sie in lateinischer Sprache gestände.Du weißt nicht was die Tugend ist? rief der Abbé, erstickend vor Zorn; du weißt nicht, was die Religion ist?
    Ich weiß es wohl französisch, erwiderte Ange, aber ich weiß es nicht lateinisch.
    So gehe nach Arcadien, Juvenis, alles ist vorbei zwischen uns. Wicht!
    Pitou war so niedergeschmettert, daß er nicht einen Schritt machte, um zu fliehen, obgleich der Abbé Fortier seine Geißel aus seinem Gürtel mit ebenso viel Würde gezogen hatte, als im Augenblick der Schlacht ein Heerführer sein Schwert aus der Scheide gezogen hätte.
    Aber was soll aus mir werden? fragte der arme Junge, indem er seine beiden Arme träge an seiner Seite hinabhängen ließ, was soll aus mir werden, wenn ich die Hoffnung, in das Seminar einzutreten, verliere?
    Werde, was du kannst, das ist mir, bei Gott gleichgültig.
    Wissen Sie denn nicht, daß meine Tante glaubt, ich sei schon Abbé?
    Nun, sie wird erfahren, daß du nicht einmal zum Meßner taugst.
    Aber, Herr Fortier ...
    Ich sage dir, gehe Limina lingue.
    Auf denn! sagte Pitou, wie ein Mensch, der einen schmerzlichen Entschluß faßt, aber ihn dennoch faßt.
    Wollen Sie mir mein Pult lassen? fragte Pitou, in der Hoffnung, während der kurzen Frist, die ihm gegönnt wäre,
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