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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman
Autoren: Tamara McKinley
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hatten.
    Satan lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf sich, und Joe kämpfte mit den Zügeln, als der Kastanienbraune es sich in den Kopf setzte, gegen das Gebiss aufzubegehren. Auf Wila Wila hatte Joe den Hengst eingeritten, aber der Braune war noch wild genug, um unter den anderen Pferden Aufregung zu stiften. Deshalb hatte Joe sich dafür entschieden, ihn zu reiten. Die lange Reise nach Richmond würde ihnen Gelegenheit geben, einander kennen zu lernen und einen Kompromiss zu finden. Satan kaute noch immer auf dem Zaumzeug und versuchte Joe die Arme aus den Schultern zu reißen, aber Joe wusste: Dem Pferd war klar, dass es besiegt war, und das war nur eine symbolische Demonstration seines Grolls.
    »Du solltest ihn mir mal überlassen«, sagte Charlie, und der abwägende Blick seiner blauen Augen wanderte über das sattbraune Fell und den stolzen Kopf des Tieres. »Ich würde ihm schon zeigen, wer der Boss ist.«
    Joes Handgelenke schmerzten allmählich vom Straffen der Zügel, und seine Geduld ging zu Ende. Charlie hatte von Anfang an ein Auge auf Satan geworfen. Offensichtlich hatte er Joe noch nicht verziehen, dass der das Glück gehabt hatte, dafür belohnt zu werden, dass er den Hengst zugeritten hatte.
    »Satan gehört mir«, sagte Joe mit Nachdruck. »Er wird sich bald beruhigen.«
    Charlie zog sich die Hutkrempe ins Gesicht und raffte die Zügel zusammen. »Lass uns reiten. Wir haben noch einen weitenWeg vor uns.« Er gab seinem Tier die Sporen, und der schwarze Wallach flog im Galopp über die Ebene, gefolgt von den anderen Pferden.
    Satan schüttelte den Kopf, blähte die Nüstern, sträubte sich gegen das Gebiss und wollte die Verfolgung aufnehmen. Joe ließ nicht locker und straffte weiterhin die Zügel, um das Tempo gleichmäßig zu halten. Bis Richmond hatten sie noch mindestens eine Woche zu reiten, und es hatte keinen Sinn, wenn Satan sich jetzt verausgabte. Joe runzelte die Stirn, als ein heißer Wind über die Ebene strich und an seinem Hemd zerrte, bevor er mit unheilvoller Plötzlichkeit erstarb. Joe schaute sich um und sah dicke violette Gewitterwolken am sepiafarbenen Himmel; ein dunkler Vorhang, der von Süden heraufwehte, drohte die Sonne zu verdunkeln. Einsame Bäume standen wie starre Monumente vor dem seltsam gelben Licht, und die Berge brüteten in der Ferne vor dem, was da heranstürmte, dumpf vor sich hin. »Verflucht!«, murmelte Joe. »Da steht uns was Schönes bevor.«
    Charlie war schon weit voraus, seine Pferdeherde wirbelte eine große rote Staubwolke auf, aber Joe wusste, dass er bald langsamer werden würde, wenn er erst gemerkt hätte, was da am Horizont heraufzog. Joe ließ seine Pferde traben, und Satan hörte auf, gegen das Gebiss zu kämpfen, als die Zügel lockerer wurden. Die anderen Tiere witterten das nahende Unwetter und griffen weiter aus. Joe sah, dass sein Bruder Halt machte, um sich umzuschauen.
    »Da drüben«, schrie Joe und deutete auf eine Gruppe von Felsen. »Eingraben!« Seine Stimme wehte über die Ebene und hallte durch die sonderbare Stille, die den nahenden Sturm ankündigte, während sie hastig in Deckung gingen.
    Die Felsen ragten aus der Erde empor, ein steiles, zerklüftetes Gestein von kahlem Rot und Schwarz. Büsche klammerten sich an die Hänge, und hier und da lugten Grasbüschel hervor, aber im Ganzen war das Gelände so öde wie die Ebene. DerSchieferboden war glitschig. Düstere Felsüberhänge warfen lange Schatten.
    »Hier durch!« Joe übernahm das Kommando. Er deutete auf einen tief beschatteten Canyon zwischen den Felsen. Es herrschte gespenstische Stille. Ein bedrohlicher Himmel wölbte sich über ihnen, und die Welt versank im Zwielicht.
    Die Jungen stiegen ab, und die Pferde suchten sich auf dem schlüpfrigen Schiefer ihren Weg. Das Echo des Hufschlags hallte durch die Stille. Joe führte die Tiere durch die schmale Schlucht und lockte sie den Hang hinauf zu einer Höhle – wie es schien, der einzige Zufluchtsort meilenweit. Sie hatten Glück gehabt, erkannte er, denn der Höhleneingang lag auf der Seite, die dem Unwetter abgewandt war.
    Der Eingang zur Höhle war gewaltig. Die Jungen führten die Pferde tiefer in die Dunkelheit. Die Spuren winziger Pfoten verriet ihnen, dass schon andere Tiere hier Unterschlupf gefunden hatten, und der Gestank von Guano und das Rascheln und Quieken über ihnen offenbarte eine Kolonie Fledermäuse. Hastig legten Joe und Charlie den Pferden Fußfesseln an, und sie schlangen die Zügel um eine dicke
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