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Andromeda

Andromeda

Titel: Andromeda
Autoren: Arne Sjöberg
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zu Boden werfen, aber da war dann alles auch schon wieder vorbei. Die Lichtzunge stieß weit entfernt von mir mitten in das Gebiet der Tafelberge hinein. Für Bruchteile von Sekunden war es taghell, alle Sterne am Himmel waren weggewischt durch das grelle Licht, und dann klang ein mattes, gebrochenes Zischen zu mir her, als ob hochgespannte Luft aus einem Zylinder entwiche. Und neue Dunkelheit brach ein, und die Sterne flammten still wie zuvor. Die beiden Planeten links da oben schwammen ruhig und friedlich im Raum.
    Mir blieb die dumpfe Gewißheit, Zeuge eines unbegreiflichen Vorgangs geworden zu sein. Hier hatten Kräfte gewaltet, die nicht natürlichen Ursprungs sein konnten. Das war mir vom ersten Augenblick an klar. Dennoch hatte dieser Vorgang etwas an sich gehabt, das mir schon gleich danach einen in bezug auf das Geschehene freilich lächerlich anmutenden irdischen Begriff ins Bewußtsein rief. Bluttransfusion! dachte ich. Und in der Tat – das Ganze hatte, wenn auch durchaus etwas Erschreckendes in seiner Ungewöhnlichkeit lag, doch keineswegs einen feindlichen und zerstörerischen Charakter besessen. Nichts war zerborsten, nichts war zerstört, kein Widerschein ferner Feuerbrünste, kein Grollen und Donnern zusammenbrechender Bergketten oder versinkender Kontinente war aufgeklungen. Das war kein Laserangriff, der von jenem dritten Planeten ausgegangen und dem mittleren und meinem eigenen, auf dem ich mich befand, gegolten haben könnte. Das war etwas ganz, ganz anderes gewesen.
    Ich seufzte tief und verwirrt auf und entschloß mich endgültig, den Tatsachen nicht mehr auszuweichen. Wenn ich hier noch weiterhin liegenblieb, würde ich mich vielleicht noch etwas stärken und sammeln können, doch was sollte das? Es wäre nur Aufschub gewesen.
    Ich faßte mit beiden Händen zu, schob jene seltsame Decke von mir und verließ mein schwebendes Lager. Das erste, was ich sah, war, daß ich immer noch meine versengte und teilweise zerfetzte Landekombination von Tantalus trug. Man hatte mich also nicht entkleidet und nicht berührt. Der Kommunikator war da, das Dosimeter war da. In den durch Reißverschlüsse gesicherten Taschen fand sich alles das, was ich bis zuletzt auf Tantalus bei mir getragen hatte: einige Röhrchen mit Nahrungskonzentrat, mein Erste-Hilfe-Päckchen, das handliche Messer mit der versenkbaren Klinge und das flache Bündel mit der hundert Meter langen Kunststoffleine. Alles Dinge von der fernen Erde und die einzigen Dinge, die ich in diese fremde, geheimnisvolle Welt mitbrachte.
    Erst als ich mir Haare und Gesicht mit der Hand abtastete, erschrak ich. Ich hatte mir auf Tantalus, während des langen, qualvollen Wartens im Tantaliden-Turm dort, einen stattlichen Bart wachsen lassen. Auch das Kopfhaar hatte ich mir nicht mehr geschoren, mir fehlten dafür die Geräte, so daß es mir bald wie bei einem Säulenheiligen tief auf die Schulter hinunterhing. Inzwischen war es keinen Zentimeter länger geworden. Auch Hunger verspürte ich nicht, ebenso keinen Durst. Es war gerade so, als sei ich erst vor wenigen Minuten mit jenem verzweifelten Satz auf einen der letzten schwebenden Behälter mit den schlafenden Tantaliden darin aufgesprungen, um meine große Reise anzutreten. Aber diese Reise lag doch bereits hinter mir! Und es war eine Reise von zwei und einer viertel Million Lichtjahren gewesen, die im günstigsten Falle, nach allem, was ich von der Zeitdehnung verstand, immer noch mindestens dreißig Jahre an Bord des Tantaliden-Schiffes ausgemacht haben mußte.
    Nun aber sah es so aus, als ob die Zeit stillgestanden hätte! Das dies tatsächlich so war, bestätigte mir ein anderer geringfügiger Umstand. Ich hatte mir am vorletzten Tag auf Tantalus, beim Hinaustreten aus dem Turm, einen kleinen Kratzer an der linken Hand zugezogen. Ich war an einer Zacke der damals von Federsen herausgesprengten Tür hängengeblieben, hatte mir die Haut aufgeritzt, und es war ein wenig Blut ausgetreten. Der Schorf, der sich bald gebildet hatte, war auch am Morgen darauf, als das Tantaliden-Schiff landete, noch weich gewesen. Er war es auch jetzt noch.
    Ich dachte noch einmal an den unermeßlichen Abgrund der Jahre, der zwischen dem Gestern und dem Heute liegen mußte, und ich zweifelte, daß alles wahr sei. Ich zweifelte sogar, daß ich ich sei.
    Dann bemerkte ich noch etwas anderes, das freilich im Ozean des Unbegreiflichen, dem ich mich gegenübersah, nur noch ein Tropfen mehr war. Jene milchgraue Decke nämlich,
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