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Andere tun es doch auch (German Edition)

Andere tun es doch auch (German Edition)

Titel: Andere tun es doch auch (German Edition)
Autoren: Matthias Sachau
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5-Zimmer-Wohnung in Friedrichshain ausgezogen sind. Dort hatten ich und meine fünf Mitarbeiter nämlich Wände zwischen uns, und die waren, wie mir jetzt klar wird, vielleicht gar nicht so schlecht. Nicht nur, dass man hier jedes Wort von den anderen mitbekommt, es hallt auch noch dermaßen nach, als säßen wir in einer Felsengrotte. Zum Glück haben wir wenigstens den matt verglasten Besprechungsraum. Manchmal würde ich mich am liebsten dorthin verkriechen. Es macht mir Angst, wenn ich meine ganze Bagage auf einem Haufen sehe. Jeder Einzelne von denen hat es in sich, so viel kann ich nach den ganzen gemeinsamen Jahren sagen.
    Ich schließe die Eingangstür auf und beginne mit dem üblichen Spießrutenlauf.
    »Hallo Joan, gibt es was Neues?«
    »Hallo Kai, nein, meine Kopfschmerzen sind nicht besser geworden. Nicht einen Deut. Eigentlich hätte ich zu Hause bleiben müssen.«
    Während des letzten Satzes dreht meine Sekretärin und Empfangsdame, die gerne »Büromanagerin« genannt werden will, ihren Kopf von mir weg und nimmt einen Stapel leerer Briefbögen in die Hand, der dringend genau in diesem Moment nochmal ordentlich auf Kante angeordnet werden muss. So kann ich nichts erwidern und bekomme stattdessen Gelegenheit, noch eine weitere Kohlenschaufel in meinem Schlechtes-Gewissen-gegenüber-Mitarbeitern-Maschinenraum nachzulegen. Als Joan spürt, dass das geschehen ist, sieht sie mich wieder an.
    »Und mein Rechner wird jeden Tag langsamer. Wie lange der alleine schon braucht, bis er hochgefahren ist!«
    »Okay, Ulf kommt nächste Woche, um das neue Anti-Viren-Programm zu installieren. Kann er gleich mal nachgucken. Und, hm, war sonst noch was?«
    »Nein.«
    »Ganz sicher?«
    »Ja.«
    »Okay.«
    »Ach so, Frau Klapphorst hat angerufen.«
    »Oh mein Gott, Frau Klapphorst! Was hat sie gesagt?«
    »Ehrlich gesagt weiß ich das nicht mehr so genau. Da hatte ich noch keine Tablette genommen und mir war vor Schmerzen ganz schwummerig.«
    »Joan, bitte, das ist wichtig!«
    »Ich glaube, sie wollte es später nochmal versuchen.«
    »Danke.«
    Mist. Rufe ich sie jetzt an, oder warte ich noch? Zum Glück erlöst mich die Eisenstütze, gegen die ich jedes Mal laufe, wenn ich über die dürftigen Auskünfte meiner Empfangsdame und Sekretärin nachdenke, sofort aus meiner Grübelei.
    »Hoppla! Gehts wieder, Kai?«
    »Danke, Alyssa, je mehr sich meine Stirn der Rundung anpasst, desto weniger schmerzt der Zusammenprall.«
    »Hihihihiiiiihihihihiiiiihihihihiiiii!«
    Dieses Kichern. Laut, schrill, endlos. Es geht einem durch Mark und Bein. Ich habe mir deswegen schon tausendmal vorgenommen, in Gegenwart von Alyssa keine Witze mehr zu machen. Aber selbst wenn ich es schaffen würde, würde es wohl nichts nützen. Ich bin überzeugt, dass tief in Alyssa drin ein riesiger Kicher-Reaktor ist, der seine Erzeugnisse in regelmäßigen Abständen ins Freie entlassen muss. Sie würde auch ohne Witze kichern. Oder platzen. Letzteres wäre schlimm. Menschliche Tragödie, Sauerei und alles. Und, etwas weiter hinten in der Liste würde, klar nachgeordnet, aber nicht unbedeutend, die Pleite meines Büros stehen. Alyssa ist Bauzeichnerin, schafft aber dank Fleiß, Erfahrung und gutem Willen so viel wie eine Vollblutarchitektin. Und ich weiß genau, dass ich ihr in einer gerechten Welt viel mehr bezahlen müsste. Zwei weitere Schaufeln Kohle wandern in den Höllenofen meines schlechten Gewissens gegenüber Mitarbeitern.
    Ihre enorme, naturkrause schwarze Haarpracht ist durch die Kichererschütterungen ihrem Bändigungsinstrument entkommen. Alyssa greift energisch zu und zwingt das Gewuschel mit beiden Händen wieder in den Zopfgummi. Eine beeindruckende Machtdemonstration. Wahrscheinlich könnte sie mit ihren Händen auch das Meer teilen, denke ich mir manchmal.
    »Jeffrey hat angerufen. Er kommt später.«
    Jeffrey ist unser Praktikant und sitzt Alyssa gegenüber. Er studiert im 4. Semester Architektur, trägt bunte T-Shirts und hat ein erotisches Verhältnis zu übergroßen Kopfhörern. Das Besondere an Jeffrey ist, dass er einen Computer gar nicht berühren braucht, um ihn zum Abstürzen zu bringen. Manchmal glaube ich sogar, ein unruhiges Flackern über unsere Bildschirme wandern zu sehen, wenn er nur den Raum betritt. Auch sonst ist er nicht gerade ein Leistungsträger. Erst neulich hat er eine Toilette ohne Tür in einen Plan gezeichnet, und die Baufirma hat es aus purer Bosheit dann auch noch genau so gebaut.
    Dabei hatte ich so viele
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