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Andere tun es doch auch (German Edition)

Andere tun es doch auch (German Edition)

Titel: Andere tun es doch auch (German Edition)
Autoren: Matthias Sachau
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Crockett & Jones aus London. Ich streiche mit den Fingern über das duftende, weiche, matt glänzende Cordovanleder. Ein wunderbarer Schuh. Edel, aber nicht aufdringlich, männlich, aber nicht stolz, klassische Form ohne einen Hauch von Spießigkeit. Dazu hätte auch ein Kartoffelsack als Anzug gereicht. Und er fühlt sich an, als wäre er ein Teil meines Fußes. Womöglich sogar der bessere Teil.
    Ich hole auch den rechten Fuß aus seiner Behausung. Fast muss ich ihn ein wenig dazu überreden. Die Schuhe stehen nun vor mir auf dem Boden, ich sehe sie an, sie sehen mich an. Ja, sie waren eindeutig die richtige Wahl für diesen Abend. Der schwarze Plain Oxford, den ich zuerst im Visier hatte, wäre zu überkandidelt gewesen, der dunkelbraune Fullbrogue dagegen einen Tick zu lässig. Oder bin ich da zu konservativ? Gut, es war eine Party und die Gäste, nun ja, Förmlichkeitsfetischisten waren sie jedenfalls nicht. Aber es war Abend, das ist der Punkt. Kein Braun nach 18 Uhr. Auch wenn manche sagen, dass das nur in London gilt.
    Egal. Jetzt brauchen meine strapazierten Kindchen hier erst mal ihre wohlverdiente Pause. Soll ich ihnen etwas Schuhcreme gönnen? Nein, lieber morgen. Ausgeruht und mit klarem Kopf macht es noch viel mehr Spaß. Stattdessen hole ich meine Schuhspanner aus Rotzedernholz heraus und stecke sie hinein. Das soll für heute genügen.
    Als ich meinen Sakko über den Küchenstuhl schmeiße, klunkt etwas. Ach so, das Handy. Ein Glück, dass ich kein iPhone oder so was habe, das würde bei mir nicht alt. Was nicht lebt und kein Schuh ist, hat es schwer mit mir.
    Ob sie mich anrufen wird? Muss ich jetzt einfach mal abwarten. Hm, ihre Nummer hätte ich natürlich auch. Hier, im Gewählte-Nummern-Speicher. Nein. Was für ein billiger Trick. Auf keinen Fall werde ich anrufen, ohne dass sie mich vorher angerufen hat. Ich bin Gentleman und lösche die ergaunerte Nummer einfach. Wie geht das nochmal? Ach, zu kompliziert.
    * Siehe auch: Kais kleine Schuhkunde

M ONTAG
    L ARA    »Nein, Lara, es tut mir wirklich leid, aber da ist nichts zu machen. Nach dem, was du dir geleistet hast.«
    Jennys Stimme klingt am Telefon noch öliger als in echt.
    »Okay, dachte ich mir schon. Wollte nur nochmal fragen.«
    »Vielleicht ist irgendwann Gras über die Sache gewachsen. Warte einfach ein paar Monate ab.«
    »Mach ich, Jenny.«
    »Ich persönlich fands ja lustig, aber stell dir vor, das wäre wirklich so ausgestrahlt worden. Musst du auch mal so sehen. Bei uns bist du Teil eines großen Teams. Kommst du eigentlich klar mit dem Hoteljob?«
    »Och ja, geht schon.«
    »Ich musste Herrn Rockerer ja ziemlich bequatschen, damit du ihn kriegst.«
    »Ja, Jenny, das war sehr nett. Vielen Dank nochmal.«
    »Und wie läuft es so mit Adrian?«
    »Ganz gut.«
    »Das will ich hoffen. Schließlich habt ihr euch ja über mich kennengelernt.«
    Orrr! Ich hasse es, dass ich ausgerechnet der Person, die ich am allerwenigsten in dem ganzen Filmladen leiden kann, dankbar sein muss. Und von wegen »ganz gut«. Adrian hat sich immer noch nicht gemeldet. Ich habe seine Abschiedssätze vom letzten Freitag noch im Ohr. »Weiß noch nicht, ob das mit Sonntagabend geht, Butzi. Very special week. Suuuper very special. Kanns nicht ändern, aber ich halt dich auf dem Laufenden. Bye-bye.« Ich hätte seine Worte nehmen und sie ihm zusammengeknüllt an den kunstvoll verstrubbelten Hinterkopf werfen sollen. Aber so schnell, wie er die Treppe runter war, hätte ich nicht mal getroffen.
    Mit dem Typen habe ich mir wirklich jemanden eingefangen. Als ich ihn zum ersten Mal vor knapp einem Jahr auf Jennys Beförderungsparty getroffen habe, hat er mich sofort vollgetextet, dass er gerade ein ganz neuer Mensch geworden sei. »Das kannst du dir vielleicht nicht vorstellen, aber vor ein paar Wochen war ich noch so ein Werbefuzzi. Wirklich, so ein Typ, bei dem man dauernd künstlich lächelnde Smileys um die Worte herum sieht. Aber dann hatten wir die Kampagne für Wurzelhauser Mineralbrunnen. Ich bin mit zum Fotoshooting ins Elbsandsteingebirge, und plötzlich so wooosh! Die Natur da, weißt du, das haut einen komplett um. Und auf einmal wusste ich, alles, was ich mache, ist komplett sinnlos …« Und so weiter.
    Ich hatte schon drei Camparis drin. Genau der richtige Zustand, um Spaß an einer Wortdusche zu haben. Ich wartete auf meinen Kicheranfall und sein Gesicht dazu, aber dazu kam es nicht. Irgendwie hatte ich ganz unerwartet angefangen, ihn ein
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