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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
Autoren: Alexandra Marinina
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Mir fallen nämlich die Augen zu vor Müdigkeit.«
    »Gern.«
    »Und werden Sie uns ein Abendessen zubereiten?«
    »Wenn Sie etwas im Haus haben.«
    »Und wenn ich nichts habe? Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube, ich habe wirklich nichts.«
    »Das heißt, dass wir unterwegs etwas einkaufen müssen.«
    Diesmal erschien ihm ihr Lächeln einfach bezaubernd. Warum hatte es ihm beim ersten Mal nicht gefallen? Er war einfach ein Dummkopf und verstand nichts von weiblicher Schönheit.
    »Wie alt sind Sie, Walja?«
    »Vierundzwanzig.«
    »Ich bin dreizehn Jahre älter als Sie. Ganze dreizehn Jahre, die aus Schmutz bestehen, Blut, Leichen, Leiden, Wodka und Flüchen. Stößt Sie das nicht ab?«
    »Wir werden sehen«, schmunzelte sie. »Wenn es mich abstoßen sollte, werden wir darüber nachdenken, wie es weitergeht.«
    Kolja rief Oberst Gordejew an, erhielt dessen Dank und die Erlaubnis, nach Hause zu gehen. Er wusste nicht mehr, wie lange er schon auf den Beinen war, es mussten bereits mehrere Tage und Nächte sein. Er schleppte seinen schweren, völlig erschöpften Körper bis zum Auto, ließ sich auf den Rücksitz fallen und schlief sofort ein, nachdem er es gerade noch geschafft hatte, Walja, die sich ans Steuer gesetzt hatte, seine Adresse zu sagen.
    Als er erwachte, konnte er lange nicht begreifen, wo er sich befand. Dann kam er zu sich und stellte fest, dass er in seinem eigenen Auto auf dem Rücksitz lag, sorgsam zugedeckt mit einer Decke. Er warf einen Blick auf die Uhr und erschrak. Es war ein Uhr nachts. Er hatte ganz schön lange geschlafen, der müde Polizist! Langsam setzte seine Gehirntätigkeit ein, er erinnerte sich an das Mädchen aus dem Passamt, das ihn nach Hause fahren sollte. Er warf einen Blick nach draußen. Das Auto stand vor seinem Haus. Aber wo kam die Decke her? Es war seine eigene, normalerweise lag sie im großen Zimmer auf dem Sofa, Korotkow deckte sich immer damit zu, wenn er bei ihm übernachtete.
    Wo war das Mädchen? Hatte sie es nicht geschafft, ihn aufzuwecken, und war beleidigt nach Hause gefahren? Ja, so musste es wohl sein. Wie peinlich! Aber halt. Wo kam die Decke her? Selujanow begriff überhaupt nichts mehr. Aber es hatte keinen Sinn, länger hier herumzuliegen, er musste aufstehen und nach Hause gehen.
    Im Lift stellte er fest, dass der Wohnungsschlüssel in seiner Hosentasche fehlte. Das war ziemlich unangenehm. Aber schon im nächsten Moment verband sich das Fehlen des Schlüssels mit dem Gedanken an die Wolldecke, die von seinem Sofa ins Auto gewandert war, und Kolja drückte freudig auf die Türklingel. Die Wohnungstür öffnete sich sofort. Walja stand vor ihm, sie hielt einen Putzlappen in der Hand und trug eine seiner alten Sporthosen und eines von seinen alten Shirts.
    »Aufgewacht?«, fragte sie mit einem liebevollen Lächeln. »Der Dreck in deiner Wohnung ist ja sagenhaft. Wann hast du zum letzten Mal geputzt?«
    »Ich habe noch nie geputzt«, gestand Selujanow, glücklich darüber, dass sie nicht das Weite gesucht, sondern hier auf ihn gewartet hatte. »Vor der Scheidung hat meine Frau geputzt, ich selbst schaffe es einfach nicht. Bist du mir nicht böse?«
    »Warum sollte ich böse sein?«
    »Nun ja, ich lade ein Mädchen zu mir nach Hause ein und schlafe einfach ein . . .«
    »Du hast mich ja nicht zum Vergnügen eingeladen, sondern wolltest, dass ich dich nach Hause fahre, einkaufe und etwas zu essen koche. Das waren deine eigenen Worte.«
    Selujanow fühlte sich noch beschämter.
    »Aber in Bezug auf das Putzen haben wir nichts ausgemacht.«
    »Das ist meine eigene Initiative. Dafür schuldest du mir eine große Torte.«
    Kolja fühlte sich plötzlich so gut und leicht wie schon lange nicht mehr. Wie schon seit der Zeit nicht mehr, als er seine geschiedene Frau kennen lernte. Nachdem sie geheiratet hatten, war sein Leben zur Hölle geworden, es hatte nichts anderes mehr gegeben als nur noch Eifersucht, Eifersucht und noch mal Eifersucht, vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche. Seine geschiedene Frau war unbeschreiblich schön, und Kolja hatte nie glauben können, dass sie ihn aus Liebe geheiratet hatte. Immer hatte er nach dem wahren Grund gesucht, sie ständig der Untreue, der Lüge, der Berechnung verdächtigt. Auch nachdem sie die beiden Kinder genommen und ihn verlassen hatte, konnte er nicht aufhören, sie zu lieben, und kam weiterhin um vor Eifersucht. Im Lauf von vier Jahren war das vergangen, aber die einstige Lebensfreude und
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