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Analog 06

Analog 06

Titel: Analog 06
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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mehr wichtig erscheint, nicht wahr?
    Ich weiß, stimmte sie ernsthaft zu. Kanntest du Arnos gut?
    Nicht wirklich. Ich fühlte, daß sie lächelte, und mußte selbst auch lächeln. Das war genau die Art von Antwort, die ein Telepath geben würde: Nur wenn man nicht weiß, wie komplex menschliche Wesen sind, kann man leichtfertig sagen, daß man jemanden „kennt“. In Eureka konnte ich ihn natürlich nicht erreichen, aber er pflegte ein-, zweimal im Jahr nach Pittsburgh oder Louisville zu kommen, und dann habe ich mich immer ein paar Stunden lang mit ihm unterhalten.
    Ich auch. Ich habe mich hier oben in Regina immer ein wenig einsam gefühlt – du weißt doch, daß ich immer ein paarmal pro Jahr nach Salt Lake City geflogen bin, bloß um mich mit ihm zu unterhalten. Ich werde ihn vermissen.
    Ja. Das werden wir alle.
    Ein paar Minuten lang saßen wir schweigend da und hielten Verbindung ohne Worte. Colleens Gegenwart vermittelte ein warmes, tröstendes Gefühl, und allmählich begann die Spannung des Tages nachzulassen. Schließlich raffte ich mich auf. Hast du mit den anderen schon irgendwelche Vereinbarungen getroffen?
    Ein paar. Ich habe mit Gordon in Spokane gesprochen, und er meinte, die einzige faire Möglichkeit wäre, uns alle Strohhalme ziehen zu lassen, um zu entscheiden, wer von uns nach Eureka geht und dem Begräbnis beiwohnt.
    Nein. Ich schüttelte den Kopf.
    Es sollte unter denen ausgemacht werden, die Arnos am besten kannten. Das würde Gordy und Nelson bedeuten, nehme ich an.
    Colleen regte sich unbehaglich. Glaubst du, es wäre klug, Nelson gehen zu lassen? Ich meine … du weißt, wie er manchmal ist.
    Oh, er wird schon in Ordnung sein, versicherte ich ihr. Er war nur am Anfang leicht paranoid, und das Leben in San Diego hat ihm gutgetan. Jedesmal, wenn Arnos hinunter nach Los Angeles ging, hat er sich etwas gebessert, etwas von Arnos’ Gelassenheit hat auf diese Entfernung wohl abgefärbt.
    Schön. Sie war bereit, in diesem Punkt nachzugeben. Möchtest du, daß ich Gordon diesen Vorschlag mache?
    Wenn du willst. Ich dachte einen Moment nach. Jetzt, wo Arnos nicht mehr war, hatte Gordy mit niemandem außer Colleen mehr Kontakt. Ich werde Calvin in Pueblo anrufen und ihn bitten, die Nachricht an Nelson weiterzugeben.
    Fühlst du dich dazu in der Lage?
    Ich lächelte. Ja. Danke, daß du immer da bist, wenn ich dich brauche, Colleen.
    Danke, sagte sie leise, und ich wußte, daß sie von mir genausoviel Trost empfangen hatte, wie sie mir gegeben hatte.
    Ich liebe dich, Colleen.
    Ich liebe dich, Dale, Tschüß.
    Wir unterbrachen unseren Kontakt. Ich liebte Colleen nun schon seit fast drei Jahren, und sie liebte mich sogar schon länger. Das Bewußtsein, daß wir uns niemals treffen würden, war ein dumpfer Schmerz, der mir dauernd wie ein Kloß im Hals steckte.
    Was für eine elende Welt.
    Ich seufzte, stand auf und ging in die Küche, um nach meinem Abendbrot zu sehen.
     
    In dieser Nacht schlief ich schlecht und war am nächsten Morgen Punkt neun wieder im Gerichtssaal von Des Moines für einen weiteren Verhandlungstag. In gewissem Sinn war die Frage vor Gericht recht unkompliziert: Der Richter hatte lediglich zu entscheiden, ob meine Aussage als Telepath als Beweis in einem Raubüberfall zugelassen werden konnte. In der Praxis jedoch bildeten die gesetzlichen Vorschriften und Verordnungen einen Dschungel, zu dem sich das Amazonasbecken im Vergleich ausnahm wie die Pampas. Meine Laune an diesem Morgen war auch nicht gerade hilfreich; sie war dominiert von Niedergeschlagenheit, Müdigkeit und etwas Unbekanntem, das in meinem Hinterkopf brütete. Alles, was ich wollte, war, ins Bett zurückzukrabbeln. Ich wünschte bei Gott, ich hätte nie zugelassen, daß mich der Bezirksanwalt in diese Sache hereinzog.
    Heute wollten Urban, der Pflichtverteidiger, zum x-ten Male etwas über meine Reichweite hören. „Stellen Sie es sich so vor, als hörten Sie einem Flüsternden zu“, erklärte ich ihm noch einmal. „In einer Entfernung von sechzig bis achtzig Zentimetern höre ich zwangsläufig die Gedanken anderer. In einer größeren Entfernung, bis zu sechs oder sieben Metern, kann ich entscheiden, ob ich zuhören will oder nicht, darüber hinaus kann ich überhaupt nichts hören.“
    „Außer natürlich bei Ihren Telepathen-Freunden“, sagte Urban rasch, als ob es nötig wäre, mich daran zu erinnern.
    „Der Angeklagte ist kein Telepath“, machte ich ihn so geduldig wie möglich
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