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Analog 06

Analog 06

Titel: Analog 06
Autoren: Hans Joachim Alpers , Hans Joachim (Hrsg.) Alpers
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aufmerksam.
    „Selbstverständlich nicht. Sie haben die Ähnlichkeit mit einem Flüstern dargelegt. Wir alle wissen, wie leicht es passieren kann, daß man geflüsterte Worte mißversteht …“
    „Der Vergleich bezog sich auf die Entfernung, nicht auf die Genauigkeit“, unterbrach ich. „Wenn ich die Gedanken überhaupt hören kann, höre ich sie klar und deutlich. Immer.“
    Er setzte zu einer anderen Frage an – und da, ohne besonderen Grund, kam mir die entscheidende Frage wie ein Komet in den Sinn geschossen.
    Wie zum Teufel kann man einen Telepathen unvorhergesehen erstechen?
    Es mußte unvorhergesehen geschehen sein. Die Tür des Waschraums war unverschlossen gewesen, und die Zeitungen hatten keinerlei Anzeichen eines Kampfes erwähnt. Aber das war unmöglich – unter den gegebenen Umständen konnte Arnos mit ziemlicher Sicherheit innerhalb seiner vollen Reichweite lesen. Warum hatte er seinen Mörder dann nicht kommen sehen?
    Urban hatte seine Frage beendet, als ich mich entschlossen hatte. „Entschuldigung“ sagte ich, zog mein Taschentuch heraus und tat so, als wollte ich mir die Brille putzen. Ich wollte nicht einfach mit glasigen Augen vor ihnen anfangen: Ich habe festgestellt, daß solche Sachen die Leute manchmal ganz schön durcheinanderbringen können. Aber sicher versteckt hinter meinem Taschentuch, konnte ich meinen Kontakt herstellen.
    Calvin? Calvin, bist du da? Calvin?
    Hier bin ich, Dale, kam der ruhige Gedanke. Du klingst aufgeregt.
    Ich werde es allmählich, gab ich zu. Hör zu, du hast doch dieses Vierteljahr das Orts-Logbuch, nicht wahr? Kannst du mir heute abend freie Fahrt nach Las Vegas geben? Es ist wichtig.
    Aus Des Moines? Das war Calvin – er stellte keine unnötigen Fragen. Jeder Direktflug würde dich zu nah an Pueblo heranbringen, aber ich könnte für ein paar Stunden aus der Stadt verschwinden, wenn nötig.
    Nein, das lohnt nicht. Außerdem bezweifle ich sowieso, daß ich noch einen Direktflug bekomme.
    Wenn du dann über Denver oder Salt Lake City kommst, geht alles klar.
    Prima. Ich werde reservieren lassen und dich zurückrufen, sobald ich die Flugzeit weiß.
    Gut. Oh – und du mußt bis morgen abend um sechs wieder weg sein. Gordy fliegt runter, um Arnos nach Eureka zurückzubringen.
    Ja, okay.
    Calvin wurde langsam neugierig. Ich vertraue darauf, daß du mir mal erzählst, worum es überhaupt geht.
    Sicher, aber später. Ich muß jetzt aufhören.
    Bis später.
    Ich steckte mein Taschentuch wieder in die Tasche. Schon fühlte ich mich besser. „So, wie lautete noch Ihre letzte Frage, Mr. Urban?“
     
    Den Rest des Vormittags überstand ich ohne größere Schwierigkeiten. Während der Mittagspause rief ich ein Reisebüro an, wo man mir zwei Anschlußflüge mitteilte, die mich um zehn nach Las Vegas bringen würden. Das war später, als ich eigentlich vorhatte, aber sonst hatte ich nur die Wahl zu warten, bis Gordy wieder abgeflogen war. So blieb mir wenigstens der größte Teil des morgigen Tages, bevor ich die Stadt verlassen mußte.
    Der Richter und die Anwälte waren nicht besonders glücklich über meine Ankündigung, daß ich für ein paar Tage verreisen würde, aber sie akzeptierten sie mit dem Anstand vernünftiger Männer, die wissen, daß sie keine echte Wahl haben. Um halb acht an jenem Abend befand ich mich auf der ersten Etappe meines Fluges … und um acht kreisten wir über Denver, nur hundert Meilen von Calvins Zuhause in Pueblo entfernt.
    Es ist ein merkwürdiges Gefühl und mehr als nur ein wenig beängstigend, wenn man es zum ersten Mal erfährt. Obwohl noch hundert Meilen voneinander entfernt, waren Calvin und ich uns jetzt so nahe, daß es nicht länger möglich war, unsere Oberflächengedanken voreinander abzuschirmen – uns gegenseitig auszuschalten, sozusagen. Es ist genauso, als ob ein Telepath und ein Mensch nur sechzig bis neunzig Zentimeter voneinander entfernt sind, aber mit der besonderen Schwierigkeit, daß es eine echte Zwei-Weg-Kommunikation ist. Wenn das Flugzeug jetzt plötzlich nach Süden abdrehte und Calvin und ich uns näher kämen … aber das war nichts, worüber ich gern nachdenken wollte.
    Solange man nicht in Panik geriet, bot die mühelose Kommunikation, die durch einen Nah-Kontakt gegeben war, natürlich eine gute Gelegenheit, sich zu unterhalten. Calvin und ich verbrachten damit eine geraume Weile, diskutierten über das Leben im allgemeinen und über unser eigenes und das unserer Mit-Telepathen im besonderen. Er
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