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An einem Tag im Winter

An einem Tag im Winter

Titel: An einem Tag im Winter
Autoren: Judith Lennox
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wahrscheinlich nicht sagen, aber es ist wahr. Sie kommt aus sehr reichem Haus und hält sich für was Besseres. Soweit ich weiß, haben die Pharoahs anfangs in der Hall gelebt. Aber das war Alison nicht großartig genug, also musste das Haus in Barton gekauft werden.« Martin grinste. »Meine Wirtin hat mir erzählt, dass es in Gildersleve Hall spukt.«
    Â»Wie bitte?«
    Â»Ja. In dem Haus soll ein kleiner Junge umgekommen sein. Angeblich ist er die Treppe runtergefallen, und nun hört man ihn nachts durch die Gänge laufen. Gruselig.« Martin wedelte mit den Händen und versuchte, ein Gespenst nachzuahmen. »Troll ist überzeugt, dass sich Geistererscheinungen mithilfe der Quantentheorie erklären lassen.«
    Ellen lachte. »Wohl eher mit einer übersteigerten Phantasie.«
    Â»Oder einem Glas zu viel.« Martin schaute auf ihr leeres Glas. »Möchten Sie noch eins?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Danke, lieber nicht. Ich muss nach Hause. Ich bin ziemlich kaputt – es war ein langer Tag.«
    Â»Ich nehme Sie im Wagen mit.«
    Â»Das ist nicht nötig. Es ist ja nur ein Katzensprung.«
    Â»Nun kommen Sie schon. Dann brauchen Sie nicht zu laufen.« Er stand auf und schlüpfte in sein Jackett.
    Jeden zweiten Montagnachmittag hielt ein Mitarbeiter, der von Pharoah bestimmt wurde, für die ganze Gruppe ein Seminar. »Und wer wird heute am Spieß gebraten?«, murmelte Martin, als er sich neben Ellen setzte. Sie versuchte sich vorzustellen, wie man sich fühlte, wenn man wusste, dass Dr. Pharoah einen ausgewählt hatte, der Gruppe die eigene Arbeit vorzustellen. Aufmerksam verfolgte sie die Diskussionen und achtete auf die unterschiedlichen Beiträge ihrer Kollegen. Bill Farmborough neigte dazu, sich nach Pharoah zu richten, während Denis Padfield an allem etwas auszusetzen hatte. Toby war klar und entschieden in seinen Aussagen, Martins Einwürfe hingegen – die er in seiner Eile, sein Argument an den Mann zu bringen, meist wild heraussprudelte – waren oft blitzgescheit, konnten aber auch völlig danebengehen. Alec Hunter blieb, wie Ellen bemerkte, die meiste Zeit still. Nur hin und wieder beugte er sich mit einer Art gereizter Ungeduld vor, um eine Bemerkung zu machen, schneidend mitunter, aber fast immer klug und scharfsichtig, wie sie zugeben musste. Sie nahm es ihm übel, dass er sich ständig von der Gruppe distanzierte, als wäre er sich zu schade, seine Überlegungen mit den anderen zu teilen. Und trotzdem war ihr starkes Interesse an ihm nicht verflogen, sondern machte sich manchmal unerwartet mit erschreckender Heftigkeit bemerkbar.
    Hin und wieder stieß sie, wenn sie die Times oder die Nature , eine naturwissenschaftliche Fachschrift, durchblätterte, auf Pharoahs Namen. Irgendwie war es ein merkwürdiges Gefühl, jemanden persönlich zu kennen, der in der Welt der Gefeierten und Berühmten zu Hause war – beinahe so, als würde dadurch ein Hauch des Glanzes auf sie selbst abfärben. Eines Abends saßen Ellen und Mrs. Bryant im Wohnzimmer des Bungalows und hörten sich im dritten Programm einen Vortrag von Pharoah an. Ellen nähte Knöpfe an, und Mrs. Bryant strickte. Das Klappern der Nadeln, das feine Geräusch des Fadens, der durch den Stoff lief, und dazu Dr. Pharoahs wohlmodulierte Radiostimme, die von Genen und Proteinen erzählte – es war, dachte sie, als stieße man in einer öffentlichen Bibliothek auf einen Monet; zu bedeutend und zu kultiviert war das Gehörte für das kleine Zimmer mit der zitronengelben Prägetapete, den dicken, mit Bändern verzierten Kissen und den Porzellankatzen.
    Marcus Pharoah war klug, amüsant und beeindruckend. Aber noch etwas zeichnete ihn aus, ein zusätzlicher Wesenszug, den Ellen nicht benennen konnte und der allein durch seine Präsenz verändernd wirkte. Wenn Pharoah ihnen im Aufenthaltsraum Gesellschaft leistete, schien sich die Luft mit Elektrizität aufzuladen, die ihre Gespräche befeuerte. Wenn er ging, waren sie, je nach Temperament, entweder ausgelaugt, angeregt oder gereizt, und jeder von ihnen, vermutete Ellen, ließ sich das Gespräch noch einmal in allen Einzelheiten durch den Kopf gehen, um zu prüfen, ob er sich gut geschlagen hatte.
    Â»Die Götter sind vom Olymp herabgestiegen«, murmelte Martin ihr eines Montagnachmittags zu, als Marcus Pharoah und ein Kollege
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