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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar
Autoren: Christopher Coake
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rasch zu ihm hoch und dann wieder hinab auf seine Tasse. »Was wird Chloe sagen?«
    Seine Frage versetzte Mark einen Stich, genau wie sie es bei Lew getan hatte.
    Sam sagte eilig: »Ich hätte nicht …«
    »Nein, schon okay. Ich weiß es nicht. Chloe hat ja Steve …«
    »Den Restaurateur.« Sein Vater sprach die Silben mit sorgsam gespitzten Lippen.
    »Trotzdem«, sagte Mark.
    Sam rief Chloe nach wie vor zu ihrem Geburtstag und an Feiertagen an, einfach um Kontakt zu halten, um die Mutter seines Enkels wissen zu lassen, dass er an sie dachte. Mark wusste von diesen Anrufen nur, weil Chloe sie erwähnt hatte. Auch Chloe liebte ihren Schwiegervater noch immer. In dem Sommer nach dem Tod von Marks Mutter, als sie alle zusammen im Farmhaus gewohnt hatten, hatte Chloe Sam das Kochen beigebracht; sie hatte die Kleider von Marks Mutter durchgesehen und sie für Oxfam eingepackt. Sam las gern vor, und so hatten sie jeden Abend nach Sonnenuntergang mit ihm draußen auf der großen gemauerten Veranda gesessen, ein Glas Wein in der Hand, und sich von ihm Große Erwartungen vorlesen lassen – Sam in der Hollywoodschaukel, immer ganz links, so als müsse seine Frau jeden Augenblick aus dem Haus kommen und den leeren Platz rechts von ihm einnehmen.
    Den richtigen Zeitpunkt für das Thema würde es nie geben. »Dad. Kann ich dich etwas fragen?«
    »Frag.«
    »Du hast nicht noch einmal geheiratet.«
    Sams Stirn legte sich in Falten; er starrte angestrengt in seinen Kaffee.
    Sein Vater hatte Frauenbekanntschaften gehabt. Er erwähnte sie beiläufig und mit einer seltsamen Förmlichkeit. Soundso hat mir das erzählt, als wir letzten Juli einmal essen waren. Er war ein gut aussehender Mann, bekannt und beliebt. Als Erwachsener hatte Mark gemerkt, dass sein Vater eine schmutzige Phantasie haben konnte, dass er mit manchen seiner Freunde die gleichen haarsträubenden Witze riss wie Mark mit Lewis. Er und Mark hatten zusammen Verluste durchgestanden, an denen sie beinahe zerbrochen wären. Aber trotz alledem sprach Sam mit Mark nie über sein Gefühlsleben, als fürchtete er, etwas so Privates wie seine Emotionen könnte seinen Sohn überfordern. Mark hatte nie einen Weg gefunden, ihm diese Furcht zu nehmen.
    »Mal dran gedacht?«, fragte er jetzt.
    Sein Vater sah rasch von rechts nach links, wie zur Erinnerung daran, wo sie hier waren, wie viel er sagen konnte. Typisch – da brachte Mark endlich den Mut auf, ihn zu fragen, und er wählte dafür einen Ort, der Sam seine Ausflucht gleich mitlieferte.
    Aber dann sagte Sam: »Na ja. Ich wollte es dir schon länger sagen. Ich bin mit jemandem zusammen. Zurzeit. Jetzt.«
    Mark ließ den Oberkörper nach hinten kippen. »Was?«
    »Ja. Und« – sein Vater war dunkelrot geworden – »ich weiß nicht recht, wie ich es erklären soll. Nicht dass wir heiraten wollen. Aber wir haben über uns gesprochen … über unsere Beziehung. Über etwas … Dauerhafteres.«
    »Wer ist es?«
    »Helen Etley.« Nach einer Pause fügte er hinzu: »Politikwissenschaften.«
    »Seit wann …?«
    »Etwas über ein Jahr.« Sein Vater knüllte seine Serviette zu einer Kugel zusammen und rollte sie zwischen seinen Handflächen. »Ich bin ein Feigling.«
    Jetzt war Mark doch empört. »Verdammt, was ist denn so schwer an …«
    »Alles. Himmelherrgott, Mark. Schalt dein Hirn ein!«
    Sams K.o.-Waffe. Anders ausgedrückt: Sei kein solcher Idiot.
    Jetzt kamen die Einzelheiten aus seinem Vater hervorgesprudelt. Helen war zwölf Jahre jünger …
    »Kinderschänder!«
    »Nicht so laut!«
    … und sie war vor drei Jahren von der Pennsylvania State University hierhergewechselt. Sie hatte sich nach Indianapolis beworben, weil ihre frisch verwitwete Mutter hier lebte. Helen war gescheit, und sie hatte Format – das war das Wort, das sein Vater gebrauchte. Sie gingen zusammen ins Theater und zu Jazzkonzerten. Helen wollte nicht aus der Stadt weg, aber sie hatten begonnen, über ein Zusammenleben in irgendeiner Form nachzudenken. Diese Verhandlungen waren derzeit im Gange.
    »In irgendeiner Form«, sagte Mark.
    »Würdest du das missbilligen?«
    »Dad! Nein! Ich missbillige gar nichts. Wobei die Frage ziemlich sinnlos ist, solange ich sie nicht kenne.«
    »Ich möchte, dass du sie kennenlernst.«
    »Das möchte ich auch. Sehr gern.«
    Sein Vater lachte etwas zittrig. »Ich bin glücklich«, sagte er dann mit unterdrückter Stimme, als müsste er dafür verhaftet werden.
    »Dad. Das ist doch wunderbar.« Und das war es. Ganz
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