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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen
Autoren: Hans Kneifel
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hergehen läßt und selbst die winzigste, scheinbar unbedeutende Einzelheit im letzten, hintersten Winkel aufspürt…
*
    Die Gedanken des Sohnes von Shallad Rhiad:
    Ich habe Hrobon abermals gesehen. Er befindet sich auf dem riesigen Yarl, sucht nach mir und nähert sich schnell und rücksichtslos dem Rand der Springenden Quellen. Wer ist bei ihm? Freunde? Feinde? Vermutlich Feinde, aber wenn er sie dazu bewegen konnte, den Yarl hierher zu steuern, kann es nicht so schlimm sein. Ihn hat die Neugierde gepackt – nein, nicht Hrobon, der wirklich einer meiner wenigen echten und wirklichen Freunde ist, sondern den Schurken der durch meine Augen starrt und zu Tode erschrocken ist, weil er merkt, daß sein Blick-Gegner in einer wenig beneidenswerten Lage ist.
    Illanen hat die unschuldige Maldra, die nichts anderes als einen winzigen Funken Freiheit haben wollte, umarmt und zerdrückt. Und jetzt sind wir dran, uns von diesem Phantom zerdrücken zu lassen. Uinaho, dieser wahrhaft unerschrockene Mann, dieser ruhige und entschlossene Krieger und ich, Luxon aus Sarphand!
    Der letzte Herzschlag meines Lebens pochte soeben. Der nächste (hier lachte Luxon, und nur Uinaho sah es und versteinerte förmlich vor Erstaunen und Entsetzen) ist derjenige, der bereits in der Totenwelt pocht Achar! Dämon! Du hast gewonnen!
*
    Die Zeit schien angehalten zu werden. Beide Männer, die ihre Augen auszutauschen vermochten, kamen wieder zu sich und sahen, was wirklich vor ihnen geschah.
    Arruf und Uinaho waren im Mittelpunkt von sechs oder mehr Wassersäulen gefangen, die gleichzeitig rund um sie in die Höhe kochten und zischten.
    Warmer Regen, nach Schwefel, Bilsenkraut und Bibergeil stinkend, vermischt mit gelbem Sand und winzigen Kieselsteinen, krachte schmetternd auf sie herunter und riß tausend winzige Wunden in ihre Kopfhaut, in die Nacken, die Schultern und die Muskelstränge der Oberarme. Der Schmerz war es, der sie wieder zu sich brachte. Arruf schrie wie ein Geschundener auf, so laut, daß ihn Uinaho verstand, obwohl er mehr als die Weite eines ausgestreckten Armes von ihm entfernt war. »Weiter, Uinaho! Wir schaffen es!« Der andere Mann schrie zurück: »Ja. Weiter! Du hast recht!« Sie tasteten durch den gelben Regenhagel nach der Hand des anderen. »Weiter!«
    Etwas Seltsames, von niemandem Erwartetes geschah für die Dauer einiger Atemzüge. Die Kräfte, von denen die Wassersäulen aus dem feuchten Schoß der Erde in die Luft hochgepreßt wurden, erlahmten. Oder gehorchten sie den fordernden Gedanken der beiden Männer? Wer weiß? Wer kann es sagen?
*
    Plötzlich sanken sämtliche Wassersäulen für einen Moment in sich zusammen.
    Die gewaltige Menge Wasser lief zwischen den Myriaden grober Sandkörner und Kiesel ab. Das immerwährende Geräusch, der das von den phantastisch geformten Felsen zurückgeworfen wurde, erstarb jäh.
    Stille.
    Bewegungslosigkeit. Leere. Ruhe.
    Nur ein zerschmetterter Körper lag im Sand. Das Blut aus den vielen Wunden war vom warmen Wasser weggespült worden.
    Arruf, dessen Verstand mühevoll auf der messerscharfen Schneide zwischen wachem Bewußtsein und der ersten Brandungswoge des Wahnsinns balancierte, handelte. Ohne zu wissen, wie laut er wirklich schrie, brüllte er:
    » Hrobon! Hilf uns! «
    Hrobon, von der Bugspitze des Yarls aus, brüllte mit Urgewalt zurück:
    »Luxon! Warte! Wir kommen!«
    Und Necron, der Alleshändler, begriff plötzlich alles. Oder fast alles. Er verstand, warum ihm sein Augenduellant so bekannt vorgekommen war, warum er so schnell gelernt hatte, sich der Augen dessen zu bedienen, den er bewegungslos von Miesel, dem Fledderer, übernommen und an die Schattengestalten ohne Gedächtnis verkauft hatte… er begriff alles, aber es war trotzdem zu spät.
    Der Yarl wurde plötzlich schneller.
    Sein Erscheinen sprengte die Reihen der Nomaden auseinander.
    Die Ereignisse überschlugen sich in den nächsten Augenblicken. Hinter dem Yarl lief mit leichten Bewegungen ein Orhako, an dessen Sattel einige Pferde gebunden waren. Der Reitvogel schrie laut auf und blieb stehen. Die Pferde zerrten an ihren Zügeln und tänzelten aufgeregt zwischen den Nomaden.
    Der Yarl kam aus westlicher Richtung, lief eine weite Schleife und rannte, ohne in seiner Schnelligkeit zu stocken, auf die ersten, neuentstandenen Fontänen zu. Auf seinen Zinnen erschienen mehr und mehr Krieger, deren Köpfe in den gewachsenen Helmen aus Goldenem Staub verborgen waren. Von den Seiten des Rückenpanzers hingen
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