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An den Springquellen

An den Springquellen

Titel: An den Springquellen
Autoren: Hans Kneifel
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Stein oder erstarrende Lava.
    Uinaho brüllte, Arruf und Maldra nach links zerrend, aus Leibeskräften:
    »Hier herüber! Nicht so schnell!«
    Inzwischen waren sie vom Haar bis zu den Zehen naß, als wären sie in einen See gefallen. Ein Teil der Farbe, mit der sich Luxon-Arruf sein Haar und seinen Bart gefärbt hatte, rann über sein Gesicht und seine nackte Brust. Er bemerkte es nicht, und selbst wenn er es gesehen hätte, würde er nicht darauf achten.
    Er gab dem Ruck des anderen Mannes nach und entging haarscharf einer anderen Wassersäule, die drei Handbreit neben seinen Hüften sich mit urtümlichem Brüllen aus dem Boden hochschraubte, nachdem der erste Stoß Sand und feuchtes Erdreich, vermischt mit schäumenden Wassermassen, pilzförmig nach außen getrieben hatte. Die Geräusche der Fontänen waren so laut, daß sie ihre eigenen Worte nicht verstanden.
    Wieder liefen sie zehn, fünfzehn Schritte.
    Niemand, selbst Elejid nicht, konnte voraussehen, an welcher Stelle und zu welcher Zeit die tödlichen Wassersäulen aus dem Boden schossen. Weiterlaufen bedeutete eine ebenso große Gefahr wie das Stehenbleiben, denn urplötzlich konnte genau an der Stelle, an der die drei Gefangenen stehengeblieben waren, ein Wasserstrahl aus dem Boden hervorbrechen. Das Wasser packte die Körper der Menschen ebenso wie die Sandkörner, riß sie mit sich in atemberaubende Höhe und entließ sie dort aus seinem Griff. Einen Fall oder Sturz aus einer Höhe von mindestens fünfzig Mannslängen überlebte niemand, es sei denn, er würde von einer zusammensinkenden Wassersäule aufgefangen und langsam zu Boden gesenkt.
    Allein der Gedanke an eine solche Lösung bedeutete schiere Illusion oder Wunschdenken das niemals in Erfüllung gehen konnte.
    Noch rund zwölfhundert Schritte!
    Die Flucht der drei Ausgesetzten hatte inzwischen eine Eigengesetzlichkeit angenommen. Der Grund war klar, aber sie dachten nicht mehr daran. Kehrten sie um, würden sie von den Pfeilen der Nomaden getötet werden. Versuchten sie, nach rechts oder links zu fliehen war ihnen dasselbe Schicksal sicher. Sie mußten die Felsnadel erreichen, deren Flanken aussahen wie die zerfetzten Schenkel eines Tieres mit schwarzweiß gestreiftem Fell. Dann waren sie in Sicherheit. Erst dann. Nicht früher.
    Ein weiterer Schwung trug sie hundert Schritt im Zickzack weiter.
    Nur durch ein reines Wunder entgingen sie dem Tod, denn fast nach jedem zehnten Schritt brach hinter ihnen der Sandboden auf und entließ himmelstürmende, kreischende Wassermassen. Gleichzeitig sanken vor ihnen andere Säulen kochend und sprudelnd zusammen, rechts und links von ihnen ebenso. Das Wasser stank nach giftigem Schwefel und nach ätzendem Rost. Einmal wurden sie von einer gewaltigen Flut getroffen, die fast kochend heiß war und irgendwelche Gase sprudeln entließ, ein anderesmal hämmerten eiskalte Schauder auf ihre Rücken. Das Wasser hatte, Vermischt mit Sandkörnern, große Gewalt und schliff ihnen Teile ihrer nassen Kleidung von der Haut. Inzwischen keuchten sie und versuchten, kalte Luft in ihre Lungen zu ziehen.
    »Weiter!« heulte Arruf und zerrte die anderen mit sich.
    Ungeheure Kräfte wurden frei. Arruf verschwendete keinen Gedanken mehr an den Umstand, daß hinter ihm Bogenschützen lauerten. Die Nomaden konnten die drei Todgeweihten nicht mehr deutlich zwischen den Wassermassen erkennen. Mehr und mehr näherten sie sich dem Mittelpunkt der Springenden Quellen.
    »Hierher!«
    Hinter ihnen jaulte eine Säule, dick wie ein zweihundert Jahre alter Baumstamm, in die Höhe. Sandkörner aus einer zusammenbrechenden Fontäne droschen hart und schmerzhaft auf ihre ungeschützen Schultern herunter. Das Laufen und jede Bewegung waren in dem nassen Sand bald eine Qual; jeder Muskel bis hinauf zum Gürtel schmerzte schon stechend, als würden Nadeln oder Messer bis auf die Knochen durch die Haut getrieben. Aber noch schlimmer waren die Geräusche, und darüber hinaus ein Summen, ein Laut, der von den drei Hastenden nur unbewußt wahrgenommen wurde und sie trotzdem in Furcht und Schrecken versetzte.
    Illanens Stimme!
    Aus der unendlichen Vielzahl der Laute, die von den Springenden Quellen verursacht wurden, schälte sich von allen Seiten, von dem erzitternden Sandboden ebenso wie aus der Höhe, eine Stimme heraus. Sie war undeutlich, aber gewaltig. Sie flüsterte, dröhnte, wisperte und röchelte. Ein mächtiges Rauschen lag über allem, kondensierte sich aus dem Zischen der Fontänen deutlich
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