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Amore siciliano

Amore siciliano

Titel: Amore siciliano
Autoren: Luzie Bronder
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Kino gehen, Shopping, man konnte quasi alles mit ihm unternehmen.
    Ich schob Charlys mangelnde Sympathie für Malte auf sein höheres Alter. Mit zweiunddreißig stand er mit beiden Beinen im Leben, hatte seine Erfahrungen und Überzeugungen und war nicht mehr so offen wie meine Freundin als Studentin an der Schauspielschule.
    Charly und ich kannten uns seit Kindertagen, ursprünglich hatten wir beide vorgehabt, nach der Theater-AG des Bertolt-Brecht-Gymnasiums den Sprung auf die großen Bühnen dieser Stadt zu schaffen. Aber dann waren wir nach dem Abitur nicht an der Schauspielschule aufgenommen worden, so dass wir in der Luft hingen. Etwas ratlos, was ich mit meinem Leben anfangen sollte, aber überzeugt davon, nicht – wie es meine Eltern sich vorstellten – Jura oder BWL studieren zu wollen, suchteich mir damals einen Ausbildungsplatz als Biologielaborantin. Immerhin hatte ich immer eine Eins im Biologie-Leistungskurs bei Herrn Mielke, dem Punkteschenker unter den Lehrern, gehabt. Heute wusste ich selbst nicht mehr, was ich mir dabei gedacht hatte. Es war eine klare Fehlentscheidung gewesen, die Arbeit im Labor langweilte mich schnell, und mir fehlte der Bezug zum Leben vor der Tür. Charly war da cleverer, sie entschied sich nach einigen Reisen und einer bunten Folge der unterschiedlichsten Aushilfsjobs, die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule zu wiederholen – und bestand sie.
    Es waren die Erfahrungen dieser turbulenten Jahre, meinte sie, die ihr das nötige Gefühl für ihre Rollen gebracht hatten. Charlys Erfolg hatte bei mir im Labor große Zweifel geschürt, so dass ich zum Ärger meiner Eltern die Lehre abbrach und beschloss, mir meinen eigenen Weg in die Filmbranche zu suchen.
    Schon vorher hatte das Verhältnis zu Mama und Papa bereits einen Knacks weggehabt, weil ich so gar nicht nach ihren Vorstellungen leben wollte. Aber als ich dann auch noch die Lehre schmiss, war für die beiden klar, dass sie mir meinen Weg zur Goldenen Kamera nicht finanzieren würden. Ich war also von einem Tag auf den anderen aus der Chanel-Liga in die H&M-Klasse gerutscht und musste mich fortan selbst versorgen. Immerhin zahlten meine Eltern noch die Miete für mein Kabuff im Prenzlberg. Auch die Unterhaltskosten für meinen klapprigen Seat Ibiza wurden noch von Papas Konto abgebucht. Und irgendwo schlummerte noch ein Bausparvertrag auf meinen Namen.
    Ich klagte also auf hohem Niveau, wie Charly meinte, wenn ich mal wieder neidisch feststellte, dass ihre Eltern neben den Kosten für ihre Zweizimmerwohnung auch ihre Studiengebühren übernahmen und ihr überdies monatlich ein ansehnliches Sümmchen für den Lebensunterhalt überwiesen. Die Falkensteins waren wie meine Eltern recht wohlhabend und hätten Charly leicht ein eigenes Auto finanzieren können. Doch nachdem meine Freundin bereits zwei Kleinwagen vor eine Garagenwand beziehungsweise einen Betonpfeiler gesetzt hatte, hatte sie sich mit ihren Eltern darauf geeinigt, dass ihr nächstes Auto eines werde, das sie selbst bezahlen würde. Ihre Eltern waren überzeugt davon, dass sie dann sorgsamer damit umginge. Ich wertete das als optimistischen letzten Versuch einer erzieherischen Maßnahme, bezweifelte allerdings, dass ein selbstgekaufter Wagen Charlys Fahrkünste entscheidend verbessern würde.
    Jedenfalls hatten Charly und ich, seit ich bei Studio Berlin jobbte, wieder ein gemeinsames Ziel: Bei ihrem ersten Kinofilm wäre ich dabei, und sei es auch nur als Assistenz der Regieassistenz, so viel stand fest. Die Hoffnung darauf schweißte uns zusammen. Unstimmigkeiten bezüglich meines Freundes ignorierte ich daher einfach. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich eines Tages einen Mann kennenlernen würde, der den Segen meiner Eltern
und
meiner Freunde bekam, war ohnehin gering.
    Hauptsache, ich war mit Malte glücklich. Und das war ich.
     
    »Fairer Handel – für eine gerechte Welt! Sind Sie heute schon auf Weltreise gewesen? Vermutlich nicht, dafür aber haben der Kaffee oder Tee zum Frühstück, die Banane in der Mittagspause und der Orangensaft samt Schokoriegel am Nachmittag einen langen Weg hinter sich.«
    So lautete der Text von einem der Flyer, die ich von der Grünen Woche mitgenommen hatte. Schon erschreckend, die Vorstellung, dass mein Kaffeekonsum die Existenz der Kaffeebauern in Südamerika bedrohen könnte oder zumindest deren Ausbeutung unterstützte, dachte ich, während ich die Tasse mechanisch an meine Lippen führte. Wenn die fair gehandelten
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