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Amnion Omnibus

Amnion Omnibus

Titel: Amnion Omnibus
Autoren: Stephen Donaldson
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abverlangte. Mit jeder neuen Entscheidung, die er zu treffen hatte, verstärkte er die Selbstvorwürfe, die er aufgrund seiner Vergehen gegen sich erheben mußte, bis sie solche Ausmaße annahmen, daß sie dazu dienen konnten, den Mann zu stürzen, bei dem die eigentliche Verantwortlichkeit lag… Wenn Scham einer derartigen Größenordnung »Wahrheit« ist, werde ich mich im Laufe meines restlichen Lebens gerne darauf beschränken, mich im Reich der bloßen Fakten aufzuhalten.
    Aber Dios’ mir geschickter Abschiedsbrief hat mir mehr als nur die Zugriffscodes seiner Dateien übermittelt. Obwohl er kurz davor stand, durch eigene Hand zu sterben, unterzog er sich der Mühe, mir ermunternde Worte zu senden.
    Ich vertraue Ihnen, Hashi, hat er geschrieben. Sie brauchen nicht das Gegenteil zu denken. Ihnen traue ich geradeso sehr wie Min Donner und Koina Hannish, und in einigen Dingen reicht mein Vertrauen sogar weiter. Gemeinsam haben sie drei alle Vorzüge, die ich mir nachsagen kann gleichzeitig jedoch alle Tugenden, die mir fehlen. Ohne Sie hätte ich Holt Fasner nicht bezwingen können. Ferner hat er hinzugefügt: Geben Sie für mich auf Min Donner acht. Ihre Abneigung gegen Zweideutigkeiten ist eine große Stärke und gleichermaßen eine gefährliche Schwäche. Im allgemeinen ist die Wahrheit unschöner, als sie es glaubt. Sorgen Sie dafür, daß Sie sich Ihren Rat anhört. Verlassen Sie sich auf Ihre Betrachtungsweise. Aber unterstützen Sie sie, wenn sie Ihre Ratschläge nicht annimmt. Genauso hat sie es mir gegenüber gehalten. So wie Sie. Und sie wird Sie ebenso dringend brauchen, wie ich Sie gebraucht habe. Ein seltsamer Vorschlag. Ich wäre darüber betrübt und über den Mann, dem er in den Sinn gekommen ist –, empfände ich das Ansinnen nicht zur gleichen Zeit als außerordentlich faszinierend. Mit welcher Begründung soll es zu rechtfertigen sein, daß die Menschheit –oder in diesem Fall, in ihrer Vertretung, Min Donner –einen Mann braucht, der sich normalerweise durch die Frage nach ›Wahrheit‹ nicht ablenken läßt? Unterstellt man, daß die respekteinflößende Min Donner den Typus von Polizist verkörpert, der Warden Dios gerne geworden wäre, dürfte ich wohl als Inbegriff der Sorte Polizist einzustufen sein, die er wirklich gewesen ist. Wie ist es erklärlich, daß das eine nicht das andere ausschließt?
    Mit dieser Unklarheit habe ich mich, obschon lediglich indirekt, an Polizeipräsidentin Donner persönlich gewandt. Ich erkundigte mich bei ihr, welches Verhältnis sie zu den Amnion, nachdem unsere Beziehungen zu ihnen jetzt ein wenig belastet sind, einzunehmen beabsichtigte. In ihrer typisch feindseligen Art – feindselig wenigstens, soweit es mich betrifft – gab sie mir die Antwort: »Ich sage ihnen die volle Wahrheit. Halte mich aufs Wort an jede Vereinbarung, die ich mit ihnen eingehe. Und wenn sie nicht das gleiche tun, sollen sie es mit Blut büßen und bitter bereuen.“
    Zumindest erläuterte sie mir anschließend, was sonst nicht ihre Gewohnheit ist, diese ziemlich extravagante Philosophie. »Denken wir zum Beispiel an Kassafort.
    Hätten Sie und Warden Dios – und der gute, alte Godsen Frik – die Sache mir überlassen, hätte ich keine verdeckte Aktion angeordnet. Die Duldung der Schwarzwerft hat gegen den mit uns abgeschlossenen Vertrag verstoßen, also war sie das Problem der Amnion. Ich hätte sie aufgefordert, daß sie den gesamten Planetoiden zerstören sollen – und es selbst getan, wären sie dazu nicht bereit gewesen. Natürlich hätte ich ihnen eine Frist gesetzt. Und wären sie der Forderung nicht nachgekommen, hätte ich meine Warnung wahrgemacht, eine Flottille hingeschickt und Thanatos Minor zu Staub zerpulvert. Und dann hätten sie es mal wagen sollen, dagegen zu protestieren.« Ihre Miene wirkte, als ob sie mich von oben herab verächtlich angrinste, aber ich halte es nicht für ausgeschlossen, daß sie ganz einfach zu lächeln versuchte.
    »Es kann sein, so etwas hätten sie kapiert. Wie Sie selbst einmal erwähnt haben, widerspricht es ihrer genetischen Identität, Unaufrichtigkeit zur Grundlage ihres Handelns zu machen. Daß wir Falschheit betreiben, ist einer der Gründe, warum sie uns am liebsten ausmerzen möchten.“
    Offen gestanden, mir war auch danach zumute, ›dagegen zu protestieren‹. Jede Faser meines Wesens bäumt sich gegen derartige Starrköpfigkeit auf. Und doch muß ich notgedrungen die Möglichkeit einräumen, daß die Amnion ein solches
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