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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
Autoren: Elizabeth Peters
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ihnen lieber ist.«
    »An ihrer Stelle würde ich mich für die Dahabije entscheiden«, meinte Ramses gedehnt. »Mit vier kleinen Kindern unter einem Dach ist es hier wie im Zoo. Ich frage mich ohnehin, wie Dolly und Evvie mit unseren beiden auskommen werden.«
    »Schlecht, wenn ihr mich fragt«, wandte seine Mutter ein. »Die zwei sind unsere volle Aufmerksamkeit gewohnt, und Dolly wird gekränkt sein, wenn Emerson ihn vernachlässigt.«
    »Was für ein Unfug!«, wetterte Emerson. »Als wenn ich den kleinen Abdullah vernachlässigen würde!«
    »Du hast nur zwei Knie, Emerson, und sie werden alle gleichzeitig darauf sitzen wollen. Das darfst du nicht vergessen.«
    »Typisch, immer musst du Schwierigkeiten sehen, wo gar keine sind«, knurrte ihr Gemahl.
    »Nein, ich erkenne lediglich eine gewisse Problematik«, korrigierte seine Frau. »Aber diese lässt sich gewiss aus der Welt schaffen. Dein Onkel Walter wird begeistert sein über die Inschriften, die du entdeckt hast, Ramses.«
    »Es gibt keinen besseren Philologen auf diesem Gebiet«, bekräftigte Ramses.
    »Und ich muss David bitten, dass er ein Gruppenbild von dir und Nefret und den Kindern malt«, fuhr seine Mutter fort. »Oder vielleicht auch Evelyn, es ist Jahre her, dass sie sich mit Malerei beschäftigt hat, trotzdem wird sie …«
    »Verflucht, Peabody, einen Augenblick«, schnaubte Emerson. »Ich dulde nicht, dass du meine Mitstreiter mit zusätzlichen Aufgaben behelligst, bevor sie überhaupt eingetroffen sind. Ich brauche sie auf der Exkavation.«
    Der Gebrauch ihres Geburtsnamens dokumentierte, dass er besser gestimmt war, als sein Einwurf vermuten ließ. Die Familie wusste jene Signale zu deuten: Amelia, wenn er ernsthaft wütend war; Peabody, wenn er gut gelaunt war, in liebevoller Reminiszenz an die Zeit ihres ersten Kennenlernens, wo er es als Kompliment gewertet hatte, sie so anzureden wie seine männlichen Berufskollegen.
    Ramses tauschte Blicke aus mit seiner Frau. Die Sache war noch nicht ausgestanden; seine Mutter würde ihre Pläne durchsetzen wollen, und sein Vater würde weiterhin toben. Seine Eltern genossen diese »kleinen Meinungsverschiedenheiten«, wie seine Mutter sie nannte – obwohl »Wortgefechte« vermutlich besser gepasst hätte. Sie lächelte kampfeslustig; ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen blitzten.
    Sie ist eine Frau mit Durchsetzungsvermögen, dachte ihr Sohn im Stillen; wenn sie verärgert war, schob sie ihr spitzes Kinn vor, und ihre dunkelgrauen Augen nahmen einen stahlharten Glanz an. Mit den Jahren hatte sich ihr Aussehen kaum verändert; sie hielt sich kerzengerade, und die feinen Linien in ihrem Gesicht waren Lachfältchen. Das Tiefschwarz ihrer Haare war laut Nefret nicht mehr der Originalton. Er hatte Nefret versprechen müssen, dies nicht zu verraten. Offen gestanden hatte er diesen Anflug weiblicher Eitelkeit auch eher rührend gefunden.
    Als sie seinen Blick auffing, unterbrach sie sich mitten im Satz. »Weshalb lachst du, Ramses? Habe ich einen Schmutzfleck auf der Nase?«
    »Nein. Ich dachte nur gerade, wie gut du heute Abend aussiehst.«

    Als Ramses und Emerson am nächsten Morgen im Grabungsgebiet eintrafen, hatte sich die Sonne gerade über den östlichen Bergen erhoben, und das kleine Tal von Deir el-Medina lag im Schatten. Steile hohe Klippen säumten es nach Osten und Westen. Der Haupteingang war im Norden, wo die Mauern des Ptolemäertempels einige der frühzeitlichen Schreine von zahllosen Gottheiten umschlossen. Ringsum standen die verfallenen Ruinen weiterer antiker Heiligtümer. Und in der Talsenke befand sich das Arbeiterdorf, das – nach Emersons letzter Schätzung – mindestens dreihundert Jahre lang bewohnt gewesen war. Der Nachweis für eine frühere Besiedlung musste noch erbracht werden; falls er existierte, dann unter den Fundamenten späterer Baustrukturen.
    Auf den ersten Blick schien sich in mehr als zwei Exkavationsjahren wenig getan zu haben. Als sie das Gelände übernommen hatten, lagen die Ruinen des Dorfes unter den Geröllbergen und Sandverwehungen von Jahrtausenden. Im letzten Jahrhundert hatte es unter unsachgemäßen Grabungen von Archäologen und Einheimischen gelitten, die Artefakte für den Verkauf suchten. Die östlichen Berghänge bargen die Arbeitergräber, zuweilen geschmückt mit kleinen, verfallenen Pyramiden. Auch diese waren geplündert worden, der Inhalt verschollen. In der neueren Vergangenheit hatten einige Ägyptologen damit begonnen, die Gräber
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