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Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms

Titel: Amelia Peabody 15: Der Herr des Sturms
Autoren: Elizabeth Peters
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wissenschaftlich zu erforschen, gleichwohl lagerten in den europäischen Museen Unmengen von Papyri und Objekten, die im 19. Jahrhundert auf dem Kunstschätzemarkt erworben worden waren und die sich nicht exakt zuordnen ließen. Viele stammten vermutlich aus Deir el-Medina, indes ohne Hinweise auf ihren Ursprungs- oder Fundort. Kurzum, das Grabungsgebiet war eine einzige Herausforderung und Emerson einer von wenigen kompetenten Archäologen. Ramses holte tief und andächtig Luft, während er die wenig beeindruckende Szenerie einfing. Sein Vater liebte Tempel und Gräber – er hingegen die vielen Inschriften, Tonscherben und Papyri, die entziffert werden wollten. Wenn sein Vater ihn nur gewähren ließe und ihn nicht Tag für Tag mitschleifen würde …
    Gemessen an den schwierigen Bedingungen waren wirklich bemerkenswerte Fortschritte erzielt worden. Es hatte lange gedauert, bis das Geröll von den Mauerresten entfernt und (wie seine Mutter in einem ihrer seltenen Wutanfälle getobt hatte) jeder verdammte Zoll von diesem verfluchten Müll gesiebt war. Die Arbeit hatte sich gelohnt; sie entdeckten vieles, was frühere Exkavatoren übersehen oder achtlos weggeworfen hatten. Überdies hatten sie festgestellt, dass das Dorf aus zwei Teilen bestand, getrennt durch eine schmale Hauptstraße und umfriedet von einer Mauer. Derzeit arbeiteten sie auf der Nordseite dieser Straße und legten sämtliche Häuser frei.
    Diverse Zwischenfälle hatten ihre Arbeit verzögert oder unterbrochen. Im Spätsommer 1917, als Ramses’ scharfsichtige Mutter bemerkt hatte, dass Nefrets lang ersehnte Schwangerschaft mit Komplikationen verbunden sein würde, hatte sie ihre Schwiegertochter kurzerhand nach Kairo gebracht und gemeinsam mit ihr im Shepheard’s logiert. Dort wurde Nefret von den beiden Ärztinnen aus dem Hospital betreut, das sie für Frauen gegründet hatte. Trotz der täglich eintreffenden, zuversichtlichen Depeschen hatte Ramses sich nicht voll auf die Arbeit konzentrieren können. Sein Vater war nicht minder abgelenkt und deshalb so launenhaft, dass ihr stellvertretender Vorarbeiter, der unerschütterliche Daoud, spurlos verschwand. Nach einer ziemlich unerquicklichen Woche hatte Emerson die Grabungen unterbrochen. Er war mit Ramses nach Kairo gefahren, wo sein Vater sich weiterhin »wie ein Irrer« gebärdete, um die Worte seiner aufgebrachten Gattin aufzugreifen. Die Hälfte der Zeit inspizierte er das Krankenhaus und scheuchte die Ärztinnen herum, die andere Hälfte starrte er entsetzt auf Nefrets zunehmende Leibesfülle.
    Nur seine Mutter war ihm ein Trost. Ramses fühlte sich so hilflos wie ein Kind. »Wird alles gut gehen?«
    »Nefret ist schließlich Ärztin«, räumte seine Mutter ein.
    »Aber sie hat noch nie ein Kind bekommen«, rutschte es ihm heraus. »Wird alles gut gehen?«
    Seine Mutter bedachte ihn mit einem nachsichtigen Lächeln. »Natürlich.«
    Erst im Nachhinein schwante ihm, dass ihre couragierte Haltung nur vorgetäuscht gewesen war.
    Als der Augenblick gekommen war – in der Nacht, wie von seiner Mutter vorausgesehen –, ließ Nefret ihm gar keine Zeit, den Kopf zu verlieren. Er schlief nicht; er hatte schon mehrere Nächte wach gelegen, und als sie sich neben ihm stöhnend verkrampfte, schoss er aus dem Bett und machte Licht. Sie blinzelte zu ihm auf, ihre Hände auf ihren gewaltigen Bauch gepresst.
    »Wo ist deine Uhr?«, fragte sie seelenruhig. »Wir müssen die Wehenabstände kontrollieren.«
    »Ich hole Mutter.«
    »Noch nicht. Es könnte auch falscher Alarm sein.«
    Ramses murmelte irgendetwas Unverständliches und stürzte aus dem Zimmer. Nachdem er seine Eltern geweckt hatte und zurückgekehrt war, hatte sie sich bereits ungeschickt angezogen.
    Sie trafen rechtzeitig im Krankenhaus ein. Emerson gab sich gefasst, obschon seine Hemdknöpfe nicht geschlossen waren und Ramses ihn noch nie so leichenblass gesehen hatte. Ununterbrochen tätschelte er Nefrets Hand.
    »Es ist bald vorbei«, sagte er.
    Nefret, die sich unter einer Wehe krümmte, murmelte angewidert: »Pah.«
    Es war alles vorbereitet, denn seine Mutter hatte vorab angerufen. Dr. Sophia nahm Nefret mit, und sie gingen in den Innenhof. Sie erlaubte nicht, dass in ihrem Sprechzimmer geraucht wurde, und Emerson hielt die Tortur ohne Tabak nicht aus. Er war mit seiner zweiten Pfeife beschäftigt, als Dr. Ferguson, die andere Ärztin, zu ihnen trat.
    »Sie möchte Sie sehen«, sagte sie zu Ramses, und setzte mit ihrer gewohnten Schroffheit
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