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Ameisenroman

Ameisenroman

Titel: Ameisenroman
Autoren: E. O. Wilson
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zum Haus herauf. «Hey! Hey! Hey! Was ist denn los? Was ist denn los?»
    Das waren seine letzten Worte. Er flog durch die Vordertür herein und sofort rückwärts wieder hinaus, als eine Ladung Schrot ihn mitten in die Brust traf. Seine Pistole wurde in die Luft geschleudert und polterte über den Boden der kleinen Veranda.
    Raff war erstarrt, die Hände hielt er noch immer halb hoch, als wolle er sich ergeben. War er als Nächsterdran? Frogman drehte sich um und sah ihm in die Augen.
    «Hurensöhne, stapfen bewaffnet hier rein und lügen mich an. Wollten mich abknallen, mein Land nehmen und alles verwüsten und so.»
    Schweigend ließ er den Blick über das Blutbad schweifen, das er angerichtet hatte, dann sagte er: «Dich bring ich nicht um, Kleiner, aber wenn ich dich je wieder zu sehen krieg, dann bist du dran. Du denkst wohl, ich erinner mich nicht mehr an dich, wie du irgendwann mal hier warst? Und wenn du je irgendwem was sagst von dem, was hier gerade passiert ist, und damit meine ich
irgendwem,
dann jag ich dir nach und bring dich um und deine Familie auch gleich mit. Verstehst du mich?»
    Raff fiel nichts ein, was er sagen konnte. Also flüsterte er nur: «Yessir, yes, Sir!»
    Seine Hände zitterten. Schweiß durchtränkte sein Hemd und tropfte ihm von der Nasenspitze. Er war zum Verzweifeln durstig. Er sah, dass Frogman angefangen hatte, in aller Ruhe mit einem Fingernagel zwischen seinen Vorderzähnen herumzustochern. Raff sollte jetzt gehen.
Jetzt.
Ihn durchfluteten aber solche Erleichterung und Dankbarkeit, dass er noch etwas sagen musste. Irgendetwas musste er noch tun. Es war pervers, aber irgendwie wollte er mit diesem Wilden, der ihm eben das Leben gerettet hatte, eine Art Freundschaft schließen.
    Er streifte die Leichen von Rainey und LeBow mit seinem Blick, zerfleddert waren sie, die Rippen offen liegend, das Blut aus geplatzten Arterien und Venen sammelte sich in Pfützen, LeBows zerfetzter Darm hing heraus wie ein grotesker Fortsatz. Zitternd fragte er:«Was machen Sie, wenn jemand kommt und nach diesen Typen sucht?»
    «Keiner kommt und sucht hier rum», erwiderte Frogman ruhig. «Sie hatten ja nicht vor herzukommen, oder, also weiß keiner außer dir und mir Bescheid. Aber wenn sie Freunde haben, die es doch wissen, dann sagen die eh nichts, weil sie dann eingelocht werden, die stecken doch bei der ganzen Sache mit drin.» Er ging und verräumte das Gewehr.
    «Aber die Leichen könnten auftauchen, wenn Sie sie einfach in den Fluss werfen.»
    «Oh, diese Jungs kommen schon in den Fluss, ja, aber Leichen gibt’s dann keine mehr zu finden. Die schneid ich in kleine Stücke und verfüttere sie an Old Ben. Der bringt seine tausend Pfund auf die Waage, und der wird mit dem allem fertig, Knochen und alles, bloß keine Sorge. Aus den Eingeweiden und dem restlichen Fleisch mach ich ein leckeres Essen für den Wels drüben auf dem Flussgrund. Das Einzige, was irgendwer flussabwärts finden wird, ist Alligatorscheiße.
    Und jetzt verdammt noch mal raus hier, und denk bloß dran, was ich dir gesagt habe. Ich kann dich genauso schnell abknallen wie diese Mistkerle hier, jetzt oder irgendwann und irgendwo, und das raubt mir bestimmt keine Minute von meinem Schlaf.»
    Raff wandte sich sofort um, stieg vorsichtig über die Überreste von Wayne, Bo und Sunky hinweg, nahm den frischen Blutgeruch wahr, der wie von nassem, verrostetem Eisen zu ihm aufstieg, und den Gestank von frischem Kot – es roch wie in einem Schlachthof. Er taumelte zum Fluss hinunter, wohl wissend, dass er jeden Moment eine Kugel in den Rücken bekommen konnte. Doch er dachte,dann wäre sein Leben wenigstens schnell und ohne längere Schmerzen vorbei. Egal, jetzt war alles egal. Er war zu müde und zu benommen, als dass ihm das jetzt noch etwas hätte ausmachen können. Und doch kam allmählich wieder etwas Gefühl in seinen Körper.
    Am Ufer des Chicobee River bog Raff ab und trottete den Weg zurück, den er wenige Minuten zuvor hergerannt war. Allmählich begann er wieder zu denken, eine aberwitzige Mischung aus Angst, Erleichterung und Horrorbildern von den drei niedergemetzelten Männern. Und er konnte auch nicht das Bild von Old Ben loswerden, der fraß, wie Alligatoren fressen, mit erhobenem Kopf im seichten Wasser liegend schluckte er Brocken von Fleisch und Knochen, die ihm Frogman nach und nach vom Ufer aus zuwarf.
    Nach häufigem Stolpern erreichte er schließlich den schmalen Abfluss aus dem Lake Nokobee. Das glänzende dunkle
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