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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung
Autoren: R Ludlum
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schnell im Kreis.
    Die zwei Linsen waren nur Tarnung: Aus dem oberen Loch ragte das Kaliber eines Gewehrlaufs. Eine relativ simple Konstruktion: Der lange Kamerakorpus und das 50 cm lange Zoomobjektiv dienten als Gewehrlauf, die funktionsfähige Optik als Zielfernrohr. Und der Abzug war natürlich genau unter ihrer Fingerkuppe.

    Handhaltung und Anlage des Fingers am Abzug ließen auf reichlich Erfahrung schließen. Bestimmt hatte sie auch Benoit Deschesnes im Jardin du Luxembourg erschossen. Der Chinese musste sie entdeckt haben. Vermutlich hatte er ihre tödliche List durchschaut und erkannt, dass sie die wirkliche Gefahr für sein Volk darstellte.
    Nur Ambler hatte erst jetzt und viel zu spät begriffen, was sich unter seinen Augen abgespielt hatte.
    Aber nun sah er mit fassungslosem Entsetzen, was gleich passieren würde. Die Schüsse würden genau von dort kommen, wo Ambler stand. Die Sicherheitsbeamten würden ihn überwältigen. Das hatten seine Gegner mit Sicherheit bereits arrangiert. Alles würde darauf hinweisen, dass er Amerikaner war – nur beweisen ließ es sich nicht. Er war der Mann, den es nicht gab.
    Seine Identität war ausgelöscht worden.
    Ein nicht beweisbarer Verdacht war besonders explosiv. In Peking war es zu schweren Unruhen gekommen, als die USA aus Versehen die chinesische Botschaft in Belgrad bombardiert hatten.
    Das hatte auch Ashton Palmer betont. Der Verdacht, ihr geliebter Liu Ang sei von einem amerikanischen Agenten ermordet worden, würde sofort einen Flächenbrand auslösen. Und die USA konnten sich weder entschuldigen noch zugeben, was die ganze Welt bereits vermutete. Denn Harrison Ambler war der Mann, den es nicht gab.
    Unruhen von nie gekanntem Ausmaß würden die Volksrepublik erschüttern. Die Streitkräfte würden eingreifen müssen. Aber der wütende Drache würde erst wieder ruhen, nachdem er die schlafende Welt in Trümmer gelegt hatte.
    Diese Gedanken erfüllten seinen Geist wie tiefe Schatten, während er und Laurel sich unverwandt ansahen. Ich weiß,
dass du weißt, dass ich weiß, dass du weißt . . . Erinnerungen an seine Kindheit stiegen in ihm auf.
    Die Zeit floss langsam dahin wie zäher Sirup.
    Ja, die Sicherheitskräfte suchten zweifellos bereits nach ihm. Ein Kinderspiel für seine Feinde.
    Er hatte so vieles nicht begriffen, aber doch recht gehabt: Liu Ang würde sterben. Ein Flächenbrand würde seine Nation überziehen. Geheimdienste und Armee würden handeln, erbarmungslos durchgreifen und die Menschen unter das Joch eines neo-maoistischen Regimes zwingen. Aber damit wäre die Sequenz noch lange nicht zu Ende. Fanatismus hatte die Verschwörer für die wahren Konsequenzen ihrer Intrigen blind gemacht. Wenn der Volkszorn brodelte und die Wut um sich griff, würde das die Nationen in einen neuen Weltkrieg stürzen. Solche Emotionen ließen sich nicht eindämmen. Das begriffen die Puppenspieler nicht. Sie spielten mit dem Feuer und verbrannten am Ende selbst in der entfachten Glut.
    Ambler spürte Verzweiflung, Wut und Reue, die so eng ineinander verflochten waren wie die Stränge eines Stahlkabels.
    Alles – angefangen mit seiner »Flucht« und allem, was folgte - war genau nach Plan gelaufen. Ihrem Plan. Wie ein Kind, das eine Schatzkarte gefunden hat, war er dem vorgezeichneten Weg gefolgt. Einem Weg, der ihn nach Davos und ins Verderben geführt hatte.
    Einen Moment lang lähmte ihn der Schock. Er fühlte sich wie ein lebloses, hölzernes Ding. Und warum auch nicht?
    Er war nur eine Marionette gewesen.
     
    Ein kleiner Fernsehbildschirm im Konferenzraum zeigte die Rede des chinesischen Präsidenten mit englischen Untertiteln. Weder Palmer noch Whitfield widmeten dem Monitor
große Aufmerksamkeit. Als hätten sie das Attentat so oft im Geist durchgespielt, dass seine Ausführung sie nicht mehr besonders interessierte.
    Caston klappte sein Handy zu. »Entschuldigung, ich muss mal kurz vor die Tür.« Er stand mit zitternden Knien auf und drückte die Türklinke herunter. Abgeschlossen. Von innen abgeschlossen. Aber das war unmöglich !
    Jetzt klappte auch Ellen Whitfield ihr Handy zu. »Ich muss mich entschuldigen«, sagte sie. »Aber da unser Gespräch sich als so interessant herausgestellt hat, wollte ich sicherstellen, dass uns auch niemand dabei stört. Sie haben sich Sorgen um unsere Sicherheitsvorkehrungen gemacht. Nun merken Sie hoffentlich, dass wir nichts dem Zufall überlassen haben.«
    »Das merke ich«, sagte Caston erschöpft.
    Sie zog eine
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