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Ambler-Warnung

Ambler-Warnung

Titel: Ambler-Warnung
Autoren: R Ludlum
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die das schwarze Miasma der Verzweiflung davon abhielt, ihn zu verschlingen. In einer Welt voller Lügen und Täuschungen war sie die einzige Wahrheit. Sie war sein Kompass, sein Polarstern.
    Nur an sich selbst begann er zu zweifeln. Er hatte sich Reihe um Reihe vorgearbeitet, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als daraus zu schließen, dass seine Instinkte dieses Mal versagten. Würde der Attentäter in letzter Sekunde den Saal betreten? Hatte er vielleicht doch ein Gesicht übersehen?
    Nun ging ein Raunen durch den Saal, und er hörte, wie die Seitentüren geschlossen wurden. Ab jetzt durfte niemand mehr den Saal betreten. Die Sicherheitsbeamten würden die Türen erst nach der Rede wieder öffnen.
    Mit schnellen Schritten betrat der Gründer und Direktor des Weltwirtschaftsforums, ein großer, beinahe glatzköpfiger Mann mit einer in Stahl gefassten Brille, das Podium. Er trug einen dunkelblauen Anzug und eine blauweiße Krawatte: die Farben seiner Organisation.
    Ambler drehte sich zu seiner wunderschönen, zerzausten Laurel um, die aufmerksam durch den Sucher ihrer eigenen Kamera blickte. Er lächelte, um den endlosen Abgrund in seiner eigenen Seele zu überdecken.
    Er sah, dass er sie nicht täuschen konnte. Ihre Lippen formten die Worte Ich liebe dich, und ein Lichtschein erschien am Ende des langen, schwarzen Tunnels, in dem er herumirrte.
    Er durfte nicht aufgeben. Er musste weitermachen.
    Der Killer war hier, um die Geschichte der Menschheit mit einem einzigen Schuss für immer zu verändern.
    Und Ambler war hier, um ihn zu finden. Und der einzige Ambler, der das konnte, war Tarquin.
    Er war jetzt Tarquin.
    Er legte sein Auge erneut an den Sucher. Alle Geräusche verschwanden, er hörte nur noch das langsame, dumpfe Pochen seines Herzens.
    Das Geräusch verstreichender Zeit.
     
    Adrian Choi blätterte in den Dossiers, die Caitlin ihm gegeben hatte. Die Personalakten von Parrish Island, auf die Caston so scharf gewesen war. Personalakten, um Himmels willen. Ein Haufen verdammter Lebensläufe war das. Warum war es so schwierig gewesen, an das Zeug ranzukommen?

    Genau genommen war es nahezu unmöglich gewesen. Und deshalb wollte Adrian sie mit der Lupe durchforsten, wenn es sein musste.
    Die meisten waren stinklangweilig. Technische Universitäten, Colleges und Militärdienste – jedenfalls bei den Ordonnanzpflegern. Psychiater, die an der Western Case Reserve oder der Miami Medical School studiert hatten. Schwestern mit Diplomen der Naval School of Health Sciences und anderen Ausbildungszentren mit ähnlichen Namen. Wachmänner aus der 6 th MP Group oder der 202 nd CID, was auch immer das heißen mochte. Solches Zeug eben.
    Es gab nur eine einzige – wie würde Caston sagen? – Anomalie.
    Oh ja, eine Anomalie gab es.
    Plötzlich klopfte jemand lautstark an die Tür. Adrian fuhr erschrocken hoch. Kein Mensch hämmerte jemals so laut an Clayton Castons Tür.
    Instinktiv entschied sich Adrian, nicht zu reagieren. Kurz darauf hörte er, wie sich jemand energischen Schrittes entfernte. So ist’s recht. Hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie weiter. Vielleicht hatte ein Trottel den Lagerraum für die Druckerpatronen gesucht. Vielleicht aber auch nicht. Jedenfalls hatte Adrian gerade keine Zeit, sich darum zu kümmern.
    Er rief auf Castons Handy an. Das Triband-Gerät klingelte immer, egal in welchem Teil der Welt sich der Besitzer gerade aufhielt. In der vergangenen Stunde hatten sie schon viermal telefoniert.
    Caston ging sofort dran. Adrian informierte ihn über seine neuesten Ergebnisse. Caston bat ihn in drängendem Ton, bestimmte Details zu wiederholen.
    »Und wenn man die Gegenprobe macht, stimmen die Sozialversicherungsnummern nicht überein«, sagte Adrian. Er
lauschte Castons Antwort. Er hatte den Buchprüfer noch nie so atemlos sprechen gehört.
    »Genau das habe ich auch gedacht«, nickte Adrian. »Eine Anomalie.«
     
    Der Direktor des Weltwirtschaftsforums, dessen elegante Kleidung dem feierlichen Augenblick durchaus angemessen war, beendete seine etwas langatmige Einführung. Er wurde mit freundlichem Applaus belohnt und setzte sich rechts hinter das Rednerpult. Der Applaus schwoll an, als Liu Ang selbst mit gemächlichem, wippendem Gang die Bühne betrat und seinen Platz am Pult einnahm.
    Er war – nun ja, er war kleiner, als Ambler ihn sich vorgestellt hatte. Aber er strahlte Größe aus: Seine Haltung vermittelte eine beinahe überlebensgroße Gelassenheit, unendliche Geduld, sogar
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