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Amarilis (German Edition)

Amarilis (German Edition)

Titel: Amarilis (German Edition)
Autoren: Rainer Kempas
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verschaffte, und für den sie alles zu tun
bereit waren, nur um wieder zu vergessen. Ihr Leben, ihr Zuhause und ihre Welt,
zu der sie noch nie gehört hatten.
       Als Ra auf das verabredete Zeichen hin öffnete, stand der
Padrino vor ihm. Ungeduldig schob ihn dieser beiseite und begab sich sofort in
die Mitte des Zimmers. Als er feststellte, dass die anderen ihn kaum richtig
wahrzunehmen vermochten, pochte er dreimal höchst ungeduldig mit seinem verzierten
Spazierstock auf den Boden. Die Füße, die in weißen Gamaschen waren, trippelten
dabei unablässig hin und her, als wollte er sogleich wieder davonlaufen.
       Von dieser Unruhe aufgeschreckt, blinzelte der dritte der
Jungen auf und hob ein wenig den Kopf. Er war von ausgesprochen kleiner
Gestalt, hatte zurückgekämmtes, ohrlanges Haar und eine randlose Brille. „Oh
mein Kopf, geht es wieder los?“ nuschelte er. „Sind sie wieder alle da?“ Fast
schon entrüstet zupfte er an seiner Brille, als ob er sie schärfer einstellen
wollte.
       »Jungs, hört mal her.« Der Mann mit den Gamaschen schaute
zustimmungserheischend um sich, doch keiner der drei Burschen rührte sich noch
einmal. Auch Ra hatte sich wieder auf den Boden gesetzt und nuckelte an der
Weinflasche.
       Vor Wut bemerkte der Mann nicht, dass sein rechtes Augenlid
zu zucken begann. Seine starke, athletische Gestalt spannte sich. »Nun passt
doch mal auf, Kinder.« Eilig holte er etwas aus seiner Tasche. »Ich hab hier
etwas für euch, das euch bestimmt interessiert.« Lockend hielt er einen blauen
Stein in die Höhe, von dem ein fluoreszierendes Licht ausging. »Mit dem Ding
hier«, sein Finger deutete auf das seltsame Gebilde, »werdet ihr nun wirklich
alle eure Sorgen vergessen können. Es ist die neueste Entwicklung und kommt
wahrscheinlich gar nicht auf den Markt. Allein, hört mal, allein durch die
Technik der Santoganer ist es uns gelungen, so was überhaupt herzustellen.«
       Abwartend hielt er inne. Es war ihm in der Tat gelungen, bei
den Jugendlichen so was wie Interesse zu wecken. Neugierig besahen sie sich den
Stein näher. Er war ein Opal von bläulicher Schönheit. Matt besetzten die
Spiegelbilder der Jungen seine äußere Haut, deren oberer Teil zu einem weichen
Fell wie saugendes Leder geschliffen war. Unter dem Bezug aus milchigem Glas
war die innere Führung wie Perlen zur Mitte hin glänzend breit und voll, während
sich darum eine gelblich fasernde Art wölbte und zudem an der Außenschale
festigte.
       »Wenn ihr dort hineinschaut, dann erlebt ihr die wunder
ferner Welten. Dinge, die ihr noch nie erschaut habt. Ein Film, der eure
Fantasie beflügelt, wie ihr es euch selbst nicht vorstellen könnt.«
       Eifrig nahm sich der Kleinste von ihnen die Kugel. Er hob ein
wenig die Brille und guckte sie sich zunächst misstrauisch an. Dann schien es
ihm, als ob sich seine Sinne verselbständigten. Wie ein Vulkan platzte vor ihm
ein Feuer aus dem Stein, das seine schmächtige Gestalt fast zurückwarf. Danach
erfolgte ein Wolkenbruch blendender Gefühle, dessen Tropfen sich alsbald als
kleine Schmetterlinge erwiesen und seelig auf und davon flatterten.
       Gierig saugte sich sein Blick an dem Opal fest. Dessen
gleichsam innere Flüssigkeit begann nun rotglühend in kleinen Rauchwolken aufzuleuchten,
und gelbe Schwaden durchzogen wie ein Netz von zinnoberfeinen Härchen die
milchige Kugel.
       »Na, ist das was, Fred?« fragte der Mann, den sie Padrino
nannten und fuhr, zu den anderen gewandt, fort: »Aber ihr versteht, dass ihr
den Stein nicht völlig umsonst haben könnt.« Abwartend schaute er Gobo an.
»Wenn du etwas ganz bestimmtes für mich erledigst, kannst du sogar richtig berühmt
werden. Es ist nur ein Gefallen, den du mir erweisen musst, so, wie du ja auch
schon andere Sachen getan hast.«
       »Ich will auch berühmt werden«, mischte sich plötzlich der
kleine Fred ein und wandte sich kurz ihnen zu.
       »Wieso denn du? Ich dachte, dass dir alles egal wäre«,
verwunderte sich der Padrino.
       »Ist es mir auch«, bestätigte ihn Fred, »ich will ja auch gar
nicht richtig berühmt werden. Nur wenn ich es dann bin, dann bring ich mich
um.«
       »Aber warum denn das?«
       »Weil ich berühmt sein hasse.«
       »Warum willst du es dann überhaupt werden?«
       »Damit ich mich umbringen kann«, sagte Fred schlicht und
widmete sich wieder intensiv der magischen Kugel.
       »Lieber paranoid als verfolgt«, kommentierte Gobo daraufhin
und
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