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Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)

Titel: Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
Autoren: Wolfgang Schorlau
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seine Hosentaschen, reißen die Haut des Schutzoveralls auf, greifen in die Tasche des Anoraks, ziehen heraus, was drin ist: das Taschentuch, das Handy, die Ersatzbatterien für die Kamera. Jemand zieht ihn am Oberkörper hoch und schleift ihn zwei Meter weit. Dort knallt er gegen die Wand.
    Im Dunkeln sieht er, dass auch Laura am Boden liegt. »Lass mich los«, ruft sie.
    Er hört einen unterdrückten Schmerzensschrei von Simon.
    Jakob will Laura zu Hilfe kommen, doch vier Hände drücken ihn auf den Boden. Er hört Stimmen, Gemurmel, das er nicht verstehen kann, leise Kommandos, dann knallt eine Tür. Die einsetzende Stille schmerzt genauso wie seine geprellten Rippen.
    Dann sind die Gestalten weg. Jakob hört, wie der Schlüssel in der Tür zum Medikamentenraum gedreht wird.
    Sie sind eingeschlossen.
    Alles ging absurd schnell.
    Jakob und Laura springen als Erste auf. Simon reibt sich stöhnend den Hals. Jakob rennt zur zweiten Tür, die Tür, die in den Lagerraum führt, und rüttelt daran. Laura untersucht das verrammelte Fenster, irgendjemand hat jetzt draußen eine Lampe eingeschaltet, ein schmaler Lichtstreif dringt aus dem Hof durch eine der Fensterritzen.
    »Gitter«, hört er sie sagen.
    Simon versucht aufzustehen.
    »Haben sie dir wehgetan?«, fragt sie mit weicher Stimme.
    »Sie haben mein Handy«, sagt Simon.
    »Meins auch«, sagt Jakob.
    »Meins auch«, sagt Laura. »Und das Walkie-Talkie.«
    »Und die Kamera.«
    »Diese Aktion ging voll daneben«, sagt Simon.
    »Cem wird die Polizei rufen, wenn wir keinen Funkkontakt mehr haben. Wir müssen abwarten. Blöd, dass wir die Aufnahmen nicht machen können.«
    Sie setzen sich auf den Boden.
    Laura schmiegt sich an Simon. Jakob versucht, zur anderen Seite zu sehen.
    Draußen prasselt der Regen.

11. Bad Teinach, Hotel Schröder, nachts
    Du hast deinen Hof im Stich gelassen, flüstert die Stimme in seinem Kopf. Du weißt nicht, was dort jetzt geschieht. Er schüttelt die Schultern, um die Stimme zum Schweigen zu bringen.
    Zu den vielen Sorgen, die ihn ohnehin schon quälen, ist eine neue dazugekommen. Er weiß nicht, was auf seinem Hof passiert, in den Tagen, an denen er nicht zu Hause ist.
    Seine Frau schläft. Sie ist glücklich. Sie weiß von nichts.
    Er legt sich auf den Rücken und starrt die Decke an, den Kronleuchter, in dessen Glassternen sich das Licht der Laterne auf dem Hotelhof bricht.

12. Stuttgart, Denglers Schlafzimmer, nachts
    Dengler steht am Fenster und schaut müde auf die Wagnerstraße. Seine Glieder sind schwer und schmerzen wie nach einem endlosen Marsch, er fühlt sich erschlagen von dem nächtlichen Albtraum und dem Anruf seiner Exfrau.
    Sie hat sich von ihm getrennt. Damals. Sie warf ihn einfach auf den Müll. Unvermutet. Plötzlich. Ein kurzes Gespräch in der Küche: »Setz dich bitte einen Augenblick. Ich habe dir was zu sagen.«
    Und eine klare, nüchterne Mitteilung: »Ich habe jemanden kennengelernt.«
    Das war’s.
    Aus heiterem Himmel.
    Nun ja, ganz heiter war der Himmel nicht gewesen. Eher verhangen wegen einer wochenlangen Fahndung nach einem kriminellen Baulöwen. Nächtelang hatte er im Auto gesessen und auf Hoteleingänge gestarrt. Sein Rücken schmerzte. Er war völlig am Ende. Seine Laune, seine ganze Verfassung, die Psyche sowieso.
    Hast du’s mit ihm getrieben, hatte er auf dem Küchenstuhl sitzend gefragt, als der erste Schock vorüber war. Das war doch eine natürliche Frage in so einer Situation. Ihm erschien sie jedenfalls natürlich. Damals und auch jetzt; wenn sich die ganze Szene ins Gedächtnis drängt, findet er an dieser Frage nichts auszusetzen. Er musste doch den Ernst der Lage einschätzen. Von der Antwort hing alles ab. Wenn sie mit ihm gevögelt hatte, war die Lage ernst. Aber wenn sie sagte, ja, ich hab’s mit ihm gemacht, aber darum geht’s nicht – dann gab es noch Hoffnung. Dann hatte der Sex sie nicht blind gemacht, man konnte reden, es gab noch etwas, wo er ansetzen konnte.
    Doch sie sagte nichts. Sie stand im Türrahmen der Küche, die Arme vor der Brust verschränkt, schaute zu ihm hinunter, dem armen Hanswurst auf dem Ikea-Küchenstuhl, und verdrehte die Augen. Sie fand die Frage blöd. Unangemessen. Als ginge ihn das nichts an. Oder als sei das nicht wichtig.
    Aber es war wichtig. Deshalb wiederholte er die Frage: »Hast du’s mit ihm getrieben? Sag’s mir.«
    »Mir ist es ernst«, antwortete sie, immer noch im Türrahmen stehend. Sie nahm sich noch nicht einmal die Zeit, sich zu ihm zu
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