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Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes
Autoren: John Saul
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Vater von Robby.«
Elaine schien etwas verwirrt, doch dann streckte sie lächelnd
die Hand aus. »Natürlich«, sagte sie, »wie geht’s ihm denn?
Brad sagte mir, es habe so etwas wie ein Wunder gegeben.«
»Das ist das einzige Wort, das paßt«, meinte Palmer, sich
setzend. Brad schaute ihn erwartungsvoll an. Am liebsten hätte
er sein Gegenüber mit Fragen bombardiert, wollte ihn aber
nicht vor den Kopf stoßen.
Robby Palmer, Glens neun Jahre alter Sohn, war mehr als
drei Jahre lang wegen seiner Hyperkinese Brad Randalls
Patient gewesen. Es war ein besonders schwerer Fall. Als er
Robby zum erstenmal sah, war der Junge sechs und konnte
nicht mehr als eine oder zwei Sekunden stillsitzen. Er sprach
ständig und wie unter Zwang, wobei er mit Händen und Füßen
zappelte – ein Verhalten, das weit über Nervosität hinausging
und häufig recht destruktiv war. Brad hatte rasch gelernt, vor
Robby Palmers Auftauchen alle zerbrechlichen Dinge aus
seiner Praxis zu entfernen – ein kleiner Junge mit dem Gesicht
eines Engels und dem ›Teufel‹ im Leib. Irgendeine
Fehlsteuerung seines Nervensystems hielt ihn in dauernder
Hektik, unaufhaltsam, erschöpfend und manchmal
erschreckend. Das Kind neigte zu plötzlichen Wutausbrüchen,
für die es keinen äußeren Anlaß gab. Während dieser Anfälle
konnte es äußerst gewalttätig werden. Die kleinen Hände
ergriffen blitzschnell den nächsten Gegenstand und
schleuderten ihn gegen ein Fenster, eine Wand oder eine
Person. Brad würde nie vergessen, wie ein gar nicht besonders
erregt wirkender Robby Palmer eines Nachmittags seine beiden
Lieblingsvasen aus Steubenkristall, die noch aus der Zeit
stammten, als er sich solche Raritäten eigentlich gar nicht
leisten konnte, gnadenlos zerschmetterte. Der kleine Junge
hatte die Splitter danach angesehen, als ob er sich ihre
Herkunft überhaupt nicht erklären könnte. Er zeigte weder eine
Spur von Reue noch schien er Angst vor Strafe zu haben. Da
war nur ein Augenblick kühlen, distanzierten Innehaltens,
bevor ihn die zwanghafte nervöse Unruhe von neuem ergriff.
Vor einigen Monaten war dann Robby Palmer plötzlich nicht
mehr in Brads Praxis erschienen. Als sich dieser nach dem
Grund erkundigte, hatte er von den Eltern lediglich erfahren,
daß ein »Wunder« geschehen wäre. Er ließ es darauf beruhen.
Doch jetzt fragte er sich insgeheim, ob Clark’s Harbor etwas
mit diesem Wunder zu tun haben mochte. Glen bestätigte es
ihm.
»Sie werden es nicht glauben«, begann er, »die Veränderung
mit Robby ist wirklich erstaunlich. Seit wir mit ihm
hierhergekommen sind, ist er sehr viel ruhiger, Dr. Randall. Er
ist immer noch etwas nervös, aber lange nicht mehr so wie
früher. Jetzt ist er wie andere Kinder.«
»Aber was ist die Ursache dafür?« wollte Brad wissen.
Glen Palmer zuckte mit den Schultern. »Ich hab’ keine
Ahnung. Wir sind zum Campen hierhergekommen und hielten
an einem Platz namens Sod Beach nördlich der Stadt. Und
Robby beruhigte sich plötzlich. Einfach so.« Er schnippte mit
den Fingern. »Und das blieb so, solange wir an diesem Strand
lagerten. Deshalb sind wir dann hierhergezogen.«
»Ergibt irgendwie keinen Sinn«, meinte Brad nachdenklich.
»Vielleicht nicht«, stimmte Palmer zu, »aber wir machen uns
darüber keine Gedanken. Welche Dämonen auch in ihm waren,
jetzt sind sie verschwunden. Hoffentlich für immer.«
Brad trommelte leise mit den Fingern auf der Tischplatte,
während er über Glens Worte nachsann. Was mochte Robbys
Funktionsstörung wirklich geheilt haben? Er war einer seiner
schwierigsten Problemfälle gewesen, und Brad war
»Wundern« schon immer skeptisch gegenübergestanden. »Ob
es möglich wäre, ihn zu sehen?« fragte er.
»Warum nicht?« meinte Glen zuvorkommend. »Er hat Sie
immer gemocht.«
»Sagen Sie das meiner Sprechstundenhilfe«, grinste Brad.
Diese hatte Robbys Besuchen in der Praxis immer mit Angst
und Schrecken entgegengesehen und oft Ausreden erfunden,
um nicht anwesend sein zu müssen.
Glen warf einen Blick auf die Uhr an der Wand. »Hören
Sie«, sagte er, »warum besuchen Sie uns nicht heute abend
oder morgen früh? Bleiben Sie in der Stadt?«
»Ich glaube schon«, meinte Elaine etwas unsicher, doch sie
wußte, daß Brad es bestimmt wollte. »Gibt es hier eine
anständige Unterkunft?«
»Die Harbor Inn, drunten am Wasser«, erwiderte Glen. »Es
gibt nichts anderes.« Er stand auf. »Entschuldigen Sie, ich hab’
noch einiges zu erledigen heute nachmittag. Also bis später –
in
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