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Am Strand des Todes

Am Strand des Todes

Titel: Am Strand des Todes
Autoren: John Saul
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Gelächter aus – ein Lachen, das die Brandung übertönte
und in den Ohren des Jungen widerhallte; es löschte jede
Erinnerung an den Donner oder das Tosen der See aus.
Als die Flut zu steigen begann, wandten sich die Tänzer ab
und kamen auf das Gehölz zu – und auf den Jungen.
Der Mond verschwand so schnell, wie er durch die Wolken
gebrochen war, und der Regen begann erneut zu strömen. Die
schreckliche Szene am Strand versank in Düsternis, doch in der
Erinnerung des Jungen blieb sie haften, für immer.
Im Schutz des dichten Regens verließ der Junge sein
Versteck und hastete durch das Gehölz zurück. Als die Tänzer
das Treibholz hinter sich hatten, war er fast schon zu Hause.
Die Flut stieg weiter.
    Der Junge wachte schon früh am nächsten Morgen auf und
streckte sich zufrieden in der gemütlichen Wärme seines
Bettes. Die Sonne strahlte durchs Fenster, als ob es nie einen
Sturm gegeben hätte, und das Kind lächelte glücklich in den
klaren, blauen Tag hinaus. Heute würde es schön sein am
Strand.
    Der Strand.
Die Erinnerung an die Nacht stieg in ihm auf als wirres
Durcheinander von Schatten und Lauten. Er erinnerte sich an
den Sturm und sein Aufwachen. Und er erinnerte sich, wie er
die Sekunden zählte zwischen dem Aufflammen der Blitze und
den Donnerschlägen. Aber alles andere war völlig
verschwommen – wie ein Traum.
Er meinte sich undeutlich erinnern zu können, daß er an den
Strand gegangen war und dort irgend etwas beobachtet hatte.
Tänzer, die zwei Menschen im Sand begruben.
Und dann stieg die Flut.
Der Junge schüttelte sich. Es mußte ein Traum gewesen sein.
Ja, ein Traum.
Er lauschte auf die gewohnten Morgengeräusche. Sein Vater
hatte sicher bereits das Haus zur Arbeit verlassen. Die
Großmutter aber war um diese Zeit in der Küche beschäftigt,
wo auch sein Großvater am Tisch saß, Kaffee trank und laut
aus der Zeitung vorlas.
Aber heute morgen war alles still.
Er lag lange Zeit angestrengt lauschend im Bett. Wenn er
lange genug lauschte, würden die vertrauten Geräusche
bestimmt einsetzen und den nächtlichen Alptraum vertreiben.
Die Stille versetzte ihn in Panik.
Schließlich stand er auf, um sich anzuziehen. Aber seine
Kleider, die er gestern abend sauber auf dem Stuhl
zusammengelegt hatte, lagen heute morgen unordentlich
verstreut und naß auf dem Boden.
Es war also doch kein Traum.
Er zog saubere Kleidung an und hoffte noch immer, daß
jeden Augenblick die vertrauten Geräusche an sein Ohr
schlagen würden; das Klappern der Töpfe im Ausguß und der
Baß des Großvaters im Hintergrund. Doch als er angezogen
war, war noch immer alles totenstill.
Er ging in die Küche. Die Überbleibsel vom Frühstück des
Vaters lagen noch auf dem Tisch. Soweit war alles in Ordnung.
Aber wo waren die Großeltern?
Er stieg ins Obergeschoß hinauf, wobei er laut ihre Namen
rief. Sie mußten verschlafen haben. Das war es – sie lagen
noch im Bett und schliefen.
Das Bett war leer.
Der Traum nahm wieder von ihm Besitz.
Er stürzte aus dem Haus und lief in Richtung Strand.
    Am Rande des Wäldchens blieb er kurz stehen und starrte in
die Bäume hinauf, als ob er von ihnen erfahren könnte, was ihn
am Strand erwartete.
    Seine Miene verfinsterte sich in banger Vorahnung. Als er an
die Treibholzbarriere kam, wäre er fast wieder umgekehrt.
Aber er mußte es wissen.
    Noch vorsichtiger und bedächtiger als sonst suchte er sich
seinen Weg durch das Gewirr der Stämme und Äste. Er wollte
den Zeitpunkt hinausschieben, an dem er den Halbmond aus
Sand erreichte.
    Schließlich hatte er den letzten Stamm überklettert und stand
am Strand.
Der Sturm hatte ihn mit Abfällen übersät: überall lagen
Haufen von Seetang, und auch neues Treibholz war überall auf
dem Sand und den Felsbrocken verstreut.
Der Junge sah sich prüfend um. Nichts Außergewöhnliches.
Sein Herz tat einen Freudensprung, und sein angespanntes
Gesicht verzog sich zu einem Grinsen. Dieser Morgen war wie
geschaffen zum Strandgutsammeln. Mit ein bißchen Glück
konnte er vielleicht sogar im Tang ein paar Glasschwimmer
finden.
Nahe am Wasser sah er einen großen Haufen davon und ging
darauf zu. Als er näherkam, verlangsamte er seine Schritte.
Wieder beschlich ihn diese Vorahnung.
Er begann an einzelnen Tangstücken zu ziehen.
Entweder waren sie tief im Sand vergraben oder sie hatten
sich irgendwo festgehakt. Er zog stärker.
Das Tangbüschel gab den Blick frei.
Es war kein Traum gewesen. Unter dem Tang hervor starrten
ihn zwei Gesichter
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