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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg
Autoren: Harry Kemelman
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Paff grinste. «Aber jetzt ist die Sache natürlich ins Wasser gefallen. Wir legen den Plan vorläufig auf Eis.» Es fiel ihm etwas ein: «Ich wollte Sie natürlich davon unterrichten, dann ist aber Becker gekommen und hat gesagt, Sie sind nicht interessiert …»
    «Ganz richtig», bestätigte der Rabbi rasch. «Ich war und ich bin es nicht. Nein – ich wollte mir lediglich in einigen Punkten Klarheit verschaffen – mir ganz persönlich und privat, Mr. Paff, im weiteren Zusammenhang mit diesem Mordfall … Sie haben bei der Polizei gesagt, dass Sie vor der Villa die Fahrt verlangsamt hätten und dann weitergefahren seien. Stimmt das?»
    «Ja.»
    «Sie haben überhaupt nicht angehalten?»
    Paff überlegte. «Na ja … Einen Moment vielleicht.»
    «Sind Sie sicher, dass es nur ein Moment war? Wie lange ist das überhaupt – ein Moment?»
    «Worauf wollen Sie hinaus, Rabbi?»
    «Darauf, dass Sie dort eine ganze Weile gehalten haben. Fünfzehn, zwanzig Minuten; vielleicht noch länger.»
    «Warum behaupten Sie das?»
    «Weil mich Ihre Erklärung nicht überzeugt. Da stimmt etwas nicht … Ich bin heute früh an der Villa vorbeigefahren, Mr. Paff. Die Straße verläuft dort schnurgerade; keine Wegbiegung, weit und breit nichts im Blickfeld. Selbst bei strömendem Regen kann man von weit her sehen, ob jemand dort wartet oder nicht. Es wäre also nicht nötig gewesen, die Fahrt zu verlangsamen. Da Sie aber verabredet waren, haben Sie sicherlich angehalten und … Na, ich würde sagen, Sie haben mindestens eine Viertelstunde gewartet.»
    «Na schön; nehmen wir mal an, es war so. Was dann?»
    «Dann wird sich die Polizei fragen, warum Sie wohl in der ganzen Zeit nicht ins Haus gegangen sind.»
    «Ich bin aber wirklich nicht reingegangen – ich schwör’s Ihnen, Rabbi!»
    «Und warum nicht?»
    «Ich weiß es wirklich nicht», murmelte er resigniert. «Ich war schon öfters dort, aber immer nur tagsüber, wenn es hell war; an diesem Abend war es stockfinster, und es hat gegossen … Ich hatte einfach keine Lust, allein reinzugehen.»
    «Warum haben Sie der Polizei nicht die Wahrheit gesagt?»
    «Ach – Sie wissen doch, wie das ist, Rabbi … Moose Carter ist in dem Haus gefunden worden – tot; Moose, der für mich gearbeitet hat, den ich gekannt habe … Wenn ich gesagt hätte, dass ich ungefähr eine halbe Stunde draußen im Wagen gesessen habe, hätten sie mich durch den Wolf gedreht: Was haben Sie gesehen? Was haben Sie gehört? Warum haben Sie nichts gesehen? Warum sind Sie draußen im Auto sitzen geblieben – Sie hatten doch den Schlüssel … Rabbi, ich wollte meine Ruhe haben, das war alles. Ich wollte nicht in die Sache hineingezogen werden.»
    «Dafür sitzen Sie jetzt umso tiefer drin … An Ihrer Stelle würde ich gleich zur Polizei gehen. Sagen Sie, Sie wollen Ihre Aussage berichtigen.»
    «Aber das heißt ja … Rabbi, das heißt praktisch, zugeben, dass ich gelogen habe! Damit mach ich mich doch verdächtig!»
    «Sie machen sich noch viel verdächtiger, wenn Sie warten, bis die Polizei von allein darauf kommt, Mr. Paff.»
    «Also gut …» Paff seufzte. «Sie haben wohl Recht, Rabbi.»
56
    Als der Rabbi zu Hause ankam, saß Lanigan da und wartete auf ihn.
    «Tut mir Leid, dass Sie warten mussten, Mr. Lanigan. Was kann ich für Sie tun? Kommen Sie dienstlich zu mir oder privat?»
    Lanigan lachte. «Halb und halb, wie immer, wenn ich Sie besuche … Sagen Sie, Rabbi – ich habe da was von einem Jenkins-Verteidigungskomitee munkeln hören. Wissen Sie Näheres darüber?»
    «Einigermaßen, ja. Warum? Haben Sie etwas dagegen einzuwenden?»
    «Na ja, also natürlich hat jeder das Recht … Ja , verdammt nochmal – ich hab was dagegen!», platzte Lanigan heraus. «Ich kenn doch Donohue! Er wird ein großes Theater machen und in der ganzen Stadt die Atmosphäre vergiften. Und wenn Sie glauben, dass er Jenkins damit helfen wird, dann täuschen Sie sich. Er wird bloß eine große Bürgerrechtsschau abziehen – sozialer Ausgleich, Rechte der Unterprivilegierten und was weiß ich noch alles. Mit dem eigentlichen Fall wird das nichts mehr zu tun haben. Jenkins bekommt hier so oder so einen fairen Prozess – egal, ob er schwarz ist oder weiß oder grün und gelb getupft!»
    «Immerhin habe ich den Eindruck, dass zumindest Sie schon jetzt von seiner Schuld überzeugt sind.»
    «Ich habe nicht darüber zu befinden, ob er schuldig ist oder nicht, Rabbi. Das ist Sache der Geschworenen und des Richters. Aber das
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