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Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Am Sonntag blieb der Rabbi weg

Titel: Am Sonntag blieb der Rabbi weg
Autoren: Harry Kemelman
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hielt einen belehrenden Zeigefinger hoch: «Beim Verlassen der Villa hätte er merken müssen, dass von draußen kein Licht zu sehen war – eben weil die Vorhänge zugezogen waren. Er hat also bestimmt nicht von seinem Haus aus angerufen.»
    «Stimmt.» Der Rabbi nickte. «Noch dazu steht sein Telefon in einem Zimmer, von dem aus man die Villa sieht – ich bin heute früh dort vorbeigefahren; er stand zufällig am Fenster und telefonierte. Er hätte also noch bei seinem Anruf bei der Polizei merken müssen, dass aus der Villa kein Licht drang … Und hier kommt nun tatsächlich der Zufall mit ins Spiel.»
    «Welcher Zufall?»
    «Während Begg noch in der Villa war, ging im ganzen Viertel das Licht aus.»
    «Sie meinen den Stromausfall während des Gewitters?»
    «Ja. Das war der einzige Zufall in der ganzen Geschichte.»
    «Und warum ist er überhaupt ins Haus gegangen?»
    «Das war nun allerdings kein Zufall mehr: wegen Jenkins. Vielleicht hat er ihn weggehen sehen, oder er hat das Motorrad gehört; auf alle Fälle ist er hinübergegangen, um nach dem Rechten zu sehen … Alles scheint in Ordnung; die Tür ist zu, alles ist dunkel. Aber trotzdem will er sich vergewissern. Er hat den Schlüssel, er schließt auf, macht Licht … Vielleicht horcht er noch eine Weile, vielleicht ruft er: ‹Ist da jemand?› Dann geht er durchs Haus und findet Moose … Ja, und später hat er dann angerufen, weil ihm daran lag, dass die Leiche möglichst bald gefunden wurde – am besten noch am selben Abend.»
    «Warum noch am selben Abend?»
    «Weil er sie sonst selber hätte finden müssen – er war schließlich Hausmeister. So fand sie die Polizei – und sie fand auch gleich Zigarettenstummel, Bierdosen und sonstige ‹ Täterspuren›.»
    «Bravo, Rabbi!» Lanigan lächelte. «Ich werde also auch Begg auf meine Liste setzen – zu Jenkins, Paff, Carter und den sieben Jugendlichen … Wenn man sich ein bisschen anstrengt, reicht’s bei jedem von denen auch zur Anklageerhebung – und zugleich gibt es auch wieder bei jedem einen Haken. Das gilt übrigens auch für Begg: Er konnte nämlich nicht wissen, dass Moose in der Villa war.»
    Der Rabbi schüttelte den Kopf und schwieg.
    Lanigan fuhr fort: «Auch wenn er Grund hatte, Moose umzubringen – auf die Frage nach dem Motiv sind Sie bisher nicht eingegangen, so hatte er doch keine Veranlassung, das Haus zu betreten. Wenn er Einbrecher darin vermutete, wäre die normale Reaktion gewesen, einfach die Polizei zu verständigen und abzuwarten. Was wollte er also in der Villa?»
    «Ich denke mir, er wollte nachsehen, ob nichts fehlte.»
    «Was sollte denn fehlen? Möbel?»
    «Nein, Möbel nicht. Aber Marihuana zum Beispiel. Es war dort besser versteckt als in seiner Wohnung.»
    «Der alte Begg … ein Rauschgifthändler? Nein, Rabbi! Also, alles was recht ist … Nein! Er wohnt seit vielen Jahren hier; er ist ein solider Bürger, ein Yankee, wie er im Buch steht!»
    «Ja. Und da er außerdem früher mal Lehrer war und in der Kommunalpolitik eine Rolle gespielt hat, scheidet er als Täter ohnehin aus …» Der Rabbi lächelte spöttisch: «Sie haben völlig Recht: Es kann nur ein Fremder gewesen sein.»
    «Also gut, Rabbi – den Hieb hab ich wohl verdient. Ich habe mich unklar ausgedrückt; ich wollte sagen, dass er ein knurriger alter Querkopf ist, der uns dauernd in den Ohren liegt … Wenn er mit Rauschgift handeln würde, dann würde er doch eher einen großen Bogen um die Polizei machen, nicht wahr?»
    «Das kann auch Tarnung sein», entgegnete der Rabbi. «Ist doch viel sicherer – vor allem in einem kleinen Nest: Er galt schon immer als komischer Kauz, und den Ruf versuchte er weiterhin aufrechtzuerhalten, als er mit dem Zeug zu handeln begann. Wenn er seine Gewohnheiten geändert hätte, das wäre viel mehr aufgefallen.»
    Lanigan schwieg eine Weile. «Wie sind Sie auf Begg gekommen?», fragte er dann. «Hat das wieder mal was mit Ihrer talmudischen Denkschulung zu tun?»
    «Ganz und gar nicht. Ich kam auf Begg, weil die Verdachtsmomente gegen ihn am stärksten sind – und wenn Sie sich nicht gleich auf Alan Jenkins festgelegt hätten, den Fremden, den Farbigen obendrein, dann hätten Sie ebenfalls auf Begg getippt.»
    «Aber ausgerechnet Begg – der Außenseiter, der Spinner …»
    «Ganz so schlimm ist das wohl nicht. Er ist vielleicht ein bisschen exzentrisch, aber es bleibt doch im Rahmen; ein Yankee-Dickschädel, der ewig meutert – das ist alles.»
    «Warum ist er
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