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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts
Autoren: Harry Kemelman
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Köpfe
einrennen; ich bin ja bloß ein Kuli. Ich mach meine Arbeit und steck den Lohn
ein.»
    «Dann wirst du also wieder bis in die Nacht hinein
arbeiten?»
    «Zwei Stunden vielleicht. Warum?»
    «Peter Dodge rief an. Er kommt vielleicht auf einen Sprung
vorbei.»
    «Zu mir oder zu dir?»
    Sie wurde rot. «Ich bitte dich, Ike …»
    Er lachte über ihre Verlegenheit. «Ich mach ja nur Spaß, Baby
… Komm mal her!»
    Sie trat zu ihm, und er legte den Arm um sie und
streichelte ihre Hüfte.
    «Er ist ein alter Freund», verteidigte sie sich, «das ist
alles … Wir stammen aus derselben Stadt, und …»
    Das Telefon läutete. Sie machte sich von ihm frei, und während
sie zum Apparat ging, meinte sie: «Sicher Sykes, der sich wundert, warum du ihn
nicht angerufen … Ja, bitte?», meldete sie sich.
    «Hallo, Pat …» Es war Liz Marcus, und sie klang ungeduldig.
«Ich dachte, du wolltest früh kommen?»
    Sie versprach, gleich aufzubrechen, und wandte sich zu ihrem
Mann: «Ich muss gehen, Liebling. Bleib nicht zu lange.»
    «Schon gut, Baby.»
    Unter der Tür spitzte sie die Lippen und warf ihm einen Kuss
zu.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    4
     
    Für die Alteingesessenen von Barnard’s Crossing war der ausgedehnte
Besitz der Goralskys immer noch die Northcliffe-Villa. Vor drei Jahren war das
Anliegen in die Hände der Goralskys übergegangen, und Myron Landis, der Makler,
der das Geschäft zustande gebracht hatte, wurde nie müde, davon zu berichten:
    «Also, auf die Annonce melden sich zwei Männer, ja – ein Greis
mit einem Bart und sein Sohn, auch schon so um die fünfzig. Der Alte sagt: ‹Sind
Sie der Agent für Northcliffe?› Und das mit einem Akzent, dass man ihn kaum
versteht.
    ‹Ja, Sir›, sag ich.
    Da fragt er: ‹Wie viel kostet das Grundstück?›
    ‹Hundertundzwanzigtausend›, sag ich.
    Er nickt seinem Sohn zu, und die beiden verziehen sich in eine
Ecke und diskutieren hin und her. Ich hab kein Wort verstanden – sie sprachen
nicht auf Englisch. Dann stellt der Junge einen Scheck aus und gibt ihn dem
Alten zur Unterschrift. Der Alte nimmt die Brille ab, setzt eine andere auf und
liest den Scheck durch; dabei wackelt er immer so mit dem Kopf. Dann holt er
einen altmodischen Füller raus, so einen, wo die Feder noch rausgeschraubt
wird, ja, und malt sorgfältig seinen Namen hin. Schließlich gibt er mir den Scheck
hin, und ich lese schwarz auf weiß: Einhunderttausend Dollar, unterzeichnet von
einem gewissen Moses Goralsky.
    Sag ich: ‹Das sind aber nur hunderttausend. Der Preis ist hundertzwanzigtausend.›
Natürlich ist es hirnverbrannt, so was zu sagen – kein Mensch kauft auf diese
Weise, ohne das Grundstück überhaupt gesehen zu haben und ohne nach der
Finanzierung zu fragen, nach Hypotheken und so … Ich hab so was noch nie
erlebt. Na ja, und am Ende hat er’s gekriegt – für die hunderttausend.»
    Das große graue Herrschaftshaus war durch eine breite Rasenfläche
von der Straße getrennt. Ein hohes Eisengitter umgab den Besitz. Die hintere
Front des Hauses blickte aufs Meer, und als Rabbi Small und Miriam durch das
Hauptportal fuhren, hörten sie die Brandung gegen den Damm schlagen und spürten
die kühle Brise.
    Der Wagen hielt vor dem Haustor. Der Fahrer sprang heraus
und öffnete den Schlag. Im gleichen Moment trat Ben Goralsky zu ihnen, ein hoch
gewachsener, stämmiger Mann mit roten Wangen und dichten schwarzen Augenbrauen.
    Er schüttelte dem Rabbi die Hand. «Danke, dass Sie gekommen
sind. Ich hätte Sie selbst abgeholt, aber ich wollte Vater nicht allein lassen
…»
    Er wandte sich an den Fahrer: «Sie können gehen, aber lassen
Sie den Wagen hier. Ich fahre meine Gäste selbst zurück!» Dann wieder zu dem
Rabbi: «Wissen Sie, wir haben dem ganzen Personal bis auf die Haushälterin
heute Abend und morgen freigegeben. Vater will es so. Er meint, sie dürfen
nicht arbeiten, weil sie zu unserem Haushalt gehören … Ich werde Sie aber
selbst zur Synagoge fahren, keine Sorge – Sie werden rechtzeitig dort sein.»
    «Wie geht’s ihm?», erkundigte sich der Rabbi.
    «Nicht gut. Der Arzt war vor einer halben Stunde da – ein Professor
aus Harvard. Soll eine Kapazität auf seinem Gebiet sein.»
    «Ist Ihr Vater bei Bewusstsein?»
    «Ja. Manchmal döst er ein wenig, aber sonst ist er immer bei
vollem Bewusstsein»
    «Kam es ganz plötzlich? Ich habe ihn doch vor kurzem noch
in der Synagoge gesehen.»
    «Stimmt – am Dienstagmorgen ging er noch zum Minijan.
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